«Ich würde ja schon gern eine Firma gründen, aber ich finde einfach keine Geschäftsidee» – das hört man oft von potenziellen Jungunternehmern. Aber zum Trost: Bill Gates, Steve Jobs und Mark Zuckerberg hatten auch keine gute Idee.

Bildquelle: http://bit.ly/7YMab6Erfolgreiche Firmen fangen immer mit einer brillanten Idee an — das denken zumindest die meisten Leute. Geprägt ist diese Vorstellung vor allem durch eines: Glorifizierende Presseberichte, in denen der Werdegang erfolgreicher Unternehmer als logische Folge extrem intelligenter Entscheidungen dargestellt wird, ausgehend von einem fantastischen Geistesblitz.

Wenn man aber genauer hinschaut, sieht man schnell: Dieses Idealbild hat mit der Realität wenig zu tun. Die meisten Unternehmen fangen mit einer relativ konfusen Vorstellung davon an, womit sie dereinst Geld verdienen wollen. Bill Gates wollte eigentlich nur nur irgendwas mit Software machen; über sein heutiges Quasi-Monopol ist er fast zufällig gestolpert. Apple hatte eigentlich vor, Bausätze für Hobbybastler zu produzieren. Dass die Leute lieber fertige Computer kaufen, fand man erst später heraus. Und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg bediente sich zwecks Ideenfindung pragmatischerweise bei einem Projekt zweier Kommilitonen, die ihn bis heute deswegen verklagen.

Die Qualität der Ursprungsidee hat also nicht immer etwas mit dem schlussendlichen Erfolg zu tun. Das heisst aber natürlich nicht, dass ein Startup ideenmässig im luftleeren Raum anfangen sollte oder kann. Man braucht einen soliden Ausgangspunkt, von dem aus man seine endgültige Strategie finden kann. Und je besser diese Ursprungsidee ist, umso leichter fällt das.

Wie findet man nun also eine solide Ausgangsidee, mit der man nicht nur sich selbst, sondern auch potentielle Geldgeber vom Potential der frisch gegründeten Firma überzeugen kann? Es gibt vermutlich vier gute Methoden (die schlechten folgen morgen im zweiten Teil).

Gute Methode 1: Etwas erfinden

Das ist der klassische Ursprung vieler langfristig erfolgreicher Unternehmen. Werner von Siemens erfand den Zeigertelegraphen, daraus wurde ein Weltkonzern. Gottlieb Daimler erfand das erste moderne Automobil und legte damit die Grundlage für eine ganze Branche. Und der Apotheker Henri Nestlé dachte sich eine Formel für lösliches Milchpulver aus; heute trägt der weltweit grösste Nahrungsmittelkonzern seinen Namen.

Mit der zunehmenden Komplexität der Technologie ist es allerdings erheblich seltener geworden, dass ein einzelner Erfinder einen so grossen Sprung hinlegen kann. Die meisten modernen Produkte werden von grösseren Teams entwickelt. Selbst die Entwicklung eines Prototypen ist für viele Produktkategorien so aufwändig, dass Millionen an Kapital allein in diesen ersten Schritt fliessen müssen.

Das ist auch der wichtigste Grund für den oft beklagten Missstand, dass Ideen aus der universitären Forschung immer noch nicht oft genug ihren Weg zur erfolgreichen Kommerzialisierung finden. Das Risiko, das für die Entwicklung eines marktreifen Produkts eingegangen werden muss, ist beträchtlich.

Hin und wieder gibt es aber doch mal noch eine goldene Idee aus der Forschung, die sich in einen Weltkonzern entwickeln kann. Bekanntestes Beispiel aus der letzten Zeit ist sicher Google. Die Gründer, Larry Page und Sergei Brin, entwickelten als Doktoranden einen neuartigen Algorithmus für die Bewertung von Suchresultaten. Mit etlichen Zwischenschritten wurde schliesslich die klar dominierende Internet-Suchmaschine daraus. Allerdings: Die Google-Gründer waren mit ihrer Idee keineswegs allein. Einige andere Teams hatten zeitgleich ähnliche Ansätze entwickelt, waren aber in der Kommerzialisierung weniger erfolgreich. Und ohne das passende Finanzierungsumfeld wäre vermutlich selbst aus Googles exzellenter Idee nichts geworden.

Der Mythos vom einsamen Erfinder, der im Labor plötzlich eine weltverändernde, konkurrenzlose Idee hat, ist also genau das: ein Mythos. Aber starke Forschung kann durchaus einen interessanten Ausgangspunkt und Konkurrenzvorsprung bieten.

Gute Methode 2: Ein Problem lösen, das man selber hat

Warum bauten sich Steve Jobs und Steve Wozniak einen Computer und legten damit den Grundstein für Apple? Weil sie einen eigenen Computer wollten und sich keinen leisten konnten. Ebay-Gründer Pierre Omidyar wollte angeblich nur einen Weg finden, mit dem seine Frau ihre Sammlung von Pez-Dispensern verkaufen konnte und gründete aus Versehen die grösste Online-Auktionsplattform der Welt. Und Marc Andreessen schrieb als Student den ersten graphischen Webbrowser – Mosaic, aus dem später Netscape und dann Firefox wurde – nicht zuletzt, weil ihm die primitiven Browser seiner Zeit auf die Nerven gingen.

Ein Problem zu lösen, das man selber hat, ist ein sehr guter Anfangspunkt für ein Startup. Und das vor allem aus einem Grund: Man kennt bereits einen eifrigen Testkunden. Ein Produkt zu entwickeln, das man selbst nie benutzen würde, ist extrem schwierig. Auch Pilotkunden können einem kein perfektes und vor allem kein schnelles Feedback geben.

Selbst sein bester Kunde zu sein, ist für einen Wirt vermutlich keine gute Idee, aber für Gründer eines Technologiestartups ist es sehr wichtig, weil es den Verbesserungszyklus erheblich beschleunigt. Nicht umsonst verfolgen Konzerne wie Microsoft oder Google auch heute noch die Devise «Eat your own dog food» (sinngemäss: «Benutze Deine eigenen Produkte»). Die Mitarbeiter werden dazu angehalten, auch unreife Versionen neuer Produkte in ihrer täglichen Arbeit selbst einzusetzen, weil sie so am eigenen Leib erfahren, wo noch Schwächen bestehen.

Natürlich ist es essentiell für den geschäftlichen Erfolg, dass auch noch andere Leute ausser dem Gründer das gleiche Problem empfinden und Bedarf nach einer Lösung haben, denn sonst wird man keine Kunden finden. Oft ist dieses Marktpotential aber anfänglich gar nicht klar, und darum lohnt es sich bei dieser Art von Geschäftsidee, einfach mal einen Prototypen einer Lösung zu bauen und zu sehen, ob auch andere Leute darauf ansprechen. Man muss natürlich immer damit rechnen, dass die Idee keine Abnehmer findet, aber selbst im schlimmsten Fall hat man vermutlich wenigstens sein eigenes Problem gelöst.

Gute Methode 3: Eine bestehende Produktkategorie viel besser machen

„Sometimes products have the ‚it works‘ feature. – Sun-Mitgründer Bill Joy

Wir kennen alle Produkte, die wir zwar regelmässig benutzen, aber die eigentlich nicht machen, was sie sollen. Schwächen in Benutzerfreundlichkeit, Zuverlässigkeit, Effizienz oder Funktionsumfang sind bei den Produkten (und Dienstleistungen) unserer hochtechnisierten Welt allgegenwärtig.

Wenn ein Unternehmen es schafft, einen deutlichen Qualitätssprung für eine schon bestehende Produktkategorie mit bewiesenem Marktpotenzial hinzulegen, ist das ein sehr guter Garant für geschäftlichen Erfolg. Investoren lieben solche Ideen. Beispiele gibt es reichlich: Google machte erstmals Web-Suche wirklich brauchbar. Blackberry-Erfinder RIM fand heraus, wie man mobile E-Mail alltagstauglich macht. 37signals baute eine Familie von Online-Applikationen, die einfach zu bedienen und leistungsfähig sind. TomTom machte Navigationsgeräte bedienbar und bezahlbar.

Das Schwierige an diesem Weg zum Erfolg ist, dass man den Qualitätssprung erstmal schaffen muss und dabei vermutlich gegen viele starke und etablierte Mitbewerber antreten wird. Die meisten unbefriedigenden Produkte sind nicht deswegen schlecht, weil die Hersteller komplett unfähig sind, sondern weil es einfach sehr, sehr schwierig ist, ein besseres Niveau hinzukriegen.

Nicht selten gewinnt ein Neueinsteiger in einem Markt nicht dadurch, dass er die schon bekannten Produktdimensionen optimiert, sondern dadurch, dass er ein neues Spielfeld eröffnet. Nokia wurde zum dominierenden Handyhersteller, weil die Finnen Mitte der neunziger Jahre als erste auf die Idee kamen, dass man Mobiltelefone auch elegant designen und so klein wie möglich machen könnte. Gegen die schicken Nokias sahen die massiv gebauten Konkurrenzmodelle von Ericsson und Motorola aus wie Kriegsgerät. Eine kreative Neuerfindung existierender Produkte ist für Startups der wohl chancenreichste Weg zum Erfolg.

Gute Methode 4: Eine bestehende Produktkategorie viel billiger anbieten

Ebenfalls vielversprechend, aber noch schwieriger zu realisieren ist die Methode, bestehende Produkte sehr viel billiger als die Konkurrenz anzubieten. Bei Businessstrategen ist dieser Weg als «Disruption» bekannt: Ein neuer Wettbewerber bietet Produkte mit anfänglich geringerer Qualität, aber zu massiv besseren Preisen an und verdrängt so mit der Zeit die etablierte Konkurrenz.

Das bekannteste Beispiel für diese Strategie ist vermutlich Dell. Dank Direktversand und Just-in-Time-Produktion konnte Dell seine PCs sehr viel günstiger als die etablierten Hersteller verkaufen und wurde so zum grössten PC-Bauer der Welt. Die Konkurrenz brauchte fast 15 Jahre, um aufzuholen. Allerdings: Preiskriege sind meistens für niemanden angenehm. Und wenn man nur einen Vorteil von ein paar Prozent hat, wird die Konkurrenz schnell nachziehen.

Skype ist ein weiterer bekannter Fall: Dank der neuen Voice-over-IP-Technik konnte Skype kostenlose Telefongespräche per Internet anbieten, und gegen geringe Gebühren können Skype-User gar ins normale Netz telefonieren. Die etablierten Telefonkonzerne reagierten darauf ziemlich panisch, haben sich aber inzwischen etwas beruhigt, weil Skype mit Qualitätsproblemen und mageren Umsätzen zu kämpfen hat. Disruptionen haben halt auch ihre Grenzen.

Langfristig am tragfähigsten ist die Kombination von niedrigen Preisen und der Erschliessung ganz neuer Marktsegmente. Die ganze PC- und Internet-Branche verdankt ihre Existenz dieser Tatsache, denn vor PC und Web konnten sich Haushalte und kleine Firmen keine Computer und weltweiten Datenverkehr leisten.

Disruptive Strategien klingen gut, sind aber schon die hohe Schule des Unternehmertums. Eine selten zu findende Kombination von technologischem Vorsprung, Geschwindigkeit und richtigem Timing muss zusammenkommen, damit eine solche Idee aufgehen kann.