Jungfirmen haben meist mehr Arbeit, als die Teammitglieder bewältigen können. Für die Auslagerung einmaliger Spezialaufgaben und Fleissjobs wäre das Internet die ideale Plattform. Leider gibts kaum Vermittler.

Der SchachtürkeAls ich vor zwei Jahren ein Zeitungs-Story über Plattformen zur Vergabe von Kleinaufträgen im Internet verfasste, war ich der festen Überzeugung, dass wir erst den Anfang einer völlig neuen Form des Outsourcings gesehen hatten. Schliesslich war im ersten Internetboom ständig die Rede von grossen B2B-Märkten und spezialisierten Vermittlingsplattformen – warum also sollte man nicht das gleiche auf der Ebene von Kleinaufgaben aufziehen können? Wie wäre es denn, wenn man als Startup „virtuelle Taglöhner“ für all die repetitiven und zeitintensiven Aufgaben anstellen könnte, die erledigt werden müssen, aber die wirklich wichtigen Projekte ausbremsen?

Erstaunlicherweise sind zwei Jahre später noch immer nur wenige spezialisierte Plattformen dafür zu finden. Dabei war seit Jahren die Rede vom Abflug der neuen Kreativen Klasse (Richard Florida) (Affiliate-Link), vom „Ich-Netzwerk“ und den Lebensunternehmern, die sich als digitale Boheme (Affiliate-Link) just jene Aufträge aus dem globalen Angebot picken, die ihnen ins Schema passen.

Davon können ja auch die Auftraggeber profitieren:

Der Grund, warum wir als Kleinunternehmer viele dieser Arbeiten nicht nach aussen vergeben, liegt im hohen Verwaltungsaufwand. Also müsste der wegfallen oder reduziert weren, und es entstünde eine Auftragsbörse von gigantischen Ausmassen.

Für Mitarbeiter: Guru.com

Nun, es gibt sie. Die im Tagi-Artikel beschriebene Plattform „guru.com“ erfreut sich grosser Beliebtheit und verbindet Auftragnehmer und Auftraggeber auf allen fünf Kontinenten. Das System funktioniert als Marktplatz – Auftragnehmer können auf eine Ausschreibung eine Offerte einreichen, der billigste/schnellste/zuverlässigste Interessent gewinnt den Zuschlag. Dabei kann es zu Überraschungen kommen: Als Peter Hogenkamp vor zwei Jahren einen Programmierer suchte, waren binnen 12 Stunden 11 Angebote da, aber das teuerste kam aus Indien. Den Programmierer in den USA, der den Job schliesslich für Blogwerk AG erledigte, beschäftigen wir übrigens heute noch ab und zu.

Inzwischen also müsste guru.com jede Menge Konkurrenz gekriegt haben. Eine Nachfrage bei unsern Experten vom Webindustrie-Blog netzwertig.com bringt die erstaunliche Auskunft „uns ist nichts Vergleichbares auf Deutsch bekannt“. Jobbörsen für Festanstellungen gibt’s wie Sand am Meer, einzelne Foren für Spezialisten sind auch zu finden, und in Business-Networks wie Xing wird kräftig persönliches Marketing betrieben und das Netzwerk ausgebaut. Aber eine branchenübergreifende Plattform für die Suche nach Freiberuflern für einzelene Tasks scheint es nicht zu geben. Da muss dann halt der Job auf englisch in guru.com erklärt werden.

Für Tasks: Amazons Mechanischer Türke

Aber wenigstens ist Guru.com aus Europa nutzbar. Das ist leider mit der IP-Kontrolle vieler Webdienste keine Selbstverständlichkeit mehr. Für Europäer nicht nutzbar ist der „mechanical Turk“ von Amazon. Der Dienst hat seinen Namen vom „Schachtürken“, dem angeblich mechanischen Schachautomaten, den Wolfgang von Kempelen 1769 baute und der sich später als Betrug erwies: im innern der „Maschine“ sass ein kleinwüchsiger Schachmeister.

Das gleiche bietet Amazon mit dem Webdienst, der die Idee des „Verteilten Rechnens“ von Maschinen auf Menschen zurückbiegt. Weil gewisse Aufgaben, so stumpfsinnig oder monoton sie auch sein mögen, nicht mit Computern erledigt werden können (Bildklassierungen zum Beispiel) oder weil es sich bei kleinereren Lots nicht lohnt, ein Programm zu schreiben, übernimmt eine Heerschar von Heimwerkern am andern ende des Amazon-Webdienstes: Vorne füllen die Auftraggeber die Aufgabe ein und bestimmen, was sie für jedes Teilprodukt zu bezahlen bereit sind, hinten holen sich Interessenten in Heimarbeit diejenigen Jobs, die sie erledigen können und die am besten bezahlt sind. Der Auftraggeber spart sich die Administration und muss sich nicht drum kümmern, ob der Job von einer Person oder fünfhundert erledigt wird. Die Auftragnehmer können genau soviel Arbeit erledigen, wie ihr Zeitbudget (oder ihre Motivation) erlaubt. Den Auszahlungs- und Bürokratieaufwand erledigt Amazon als Plattform.

Darin liegen Chance und Krux des Angebots zugleich. Anders als guru.com verliert Amazons keine Kunden, wenn Auftrag abgewickelt woren ist, weil sich die Partner gar nicht kennen. Zugleich aber muss der Dienst steuer- und arbeitsrechtlich gegenüber den lokalen Behörden geradestehen, was die Nutzung auf eine nationale Ebene beschränkt.

Es kann aber nur eine Frage der Zeit sein, bis entweder ein cleverer Unternehmer als „Agent“ für Ausländer die Jobs in den USA an den Amazon-Dienst vergibt – oder ein Unternehmer hierzulande auf die Idee kommt, das Amazon-Modell zu lokalisieren.