Die Gesichtserkennungssoftware des Westschweizer Startups Keylemon würde sich Zusatzsoftware für Hersteller von Webcams und Software anbieten. Aber das Jungunternehmen hat sich auf eine andere Strategie verlegt.

Boston war „anstregend, aber sehr, sehr interessant“, sagt Gilles Florey, CEO des Startups „KeyLemon“: Als „Ventureleader“ gehört Gilles zur „Nationalmannschaft“ der Schweizer Jungunternehmer und hat mit dieser grade eine zehntägige Reise an die Ostküste der USA absolviert.

Und ja, er habe sich die eine oder andere Frage eines Amerikaners betreffend seinen Firmennamen gefallen lassen müssen: Eine „lemon“ ist in den USA sowohl eine Limone als auch ein Montagsprodukt, ein pannenanfälliges Auto beispielsweise. „Macht nichts,“ lacht Gilles: Immerhin erweckt der Produkt- und Firmenname Aufsehen.

Aufsehen: Darum geht es den Keylemon-Gründern vorerst:

Sie haben bereits mehere Preise abgeholt, sind beim Venture-Kick des IfJ in die zweite Runde vorgestossen und schafften es 2009 in die Top 100 der Red Herring Awards.

Ihr Produkt ist eine vom Co-Gründer Yann Rodriguez am Idiap in Martigny entwickelte Gesichtserkennungssoftware, die auf Windows-Computern mit Webcam den Einlog-Prozess übernimmt.

Von ähnlichen Programmen unterscheide sich Keylemon durch seine äusserst einfache Installier- und Benutzbarkeit und ausserdem durch den zuverlässigen Algorithmus. Zunächst hatten die Keylemon-Gründer die Software in einer einfachen Form frei zum Herunterladen angeboten, aber nach 400’000 Downloads entschieden, dass das Interesse gross genug sei, um darauf eine Firma aufzubauen.

Nun ist der interessanteste Markt für kleine Sicherheitstools wie dieses eigentlich der Business-zu-Business Markt (B2B): Firmen würden sich wünschen, dass die Mitarbeiter keine Passwörter miteinander tauschen und den Rechner auch beim Gang in die Kaffeepause „abschliessen“ – für beides kann Keylemon sorgen. Und Hersteller von Webcams könnten die Software ihren Produkten beilegen.

Via Direktkunden zu den Businesspartnern

Aber statt Interessenten wie den Schweizer Weltkonzern und Peripheriehersteller Logitech direkt anzugehen, hat sich Keylom für einen andere Weg entschieden: Als Produkt für Endanwender soll Keylemon im Direktverkauf online (B2C) beweisen, was es kann und dass es einen Markt hat. Man könne es durchaus aus „Beta-Geschäftsmodell“ bezeichnen, stimmt Gilles am Telefon meinem Vorschlag zu.

Durch den Direktverkauf an die Kunden soll Keylemon einen Bekanntsgrad erreichen, den auch die potentiellen B2B-Partner zur Kenntnis nehmen werden.

Florey, Rodriguez und Professor Antoine Perruchoud vertrauen dabei vor allem auf zwei Dinge: Die simple Installation des Programms und seine ebenso einfache Anwendung. Der Benutzer installiert Keylemon, das sich in die Windows-Anmeldung einnistet, und fortan erhält er umgehend Zugriff auf sein Windows-Konto, sobald er sich vor den Rechner (oder vielmehr vor die angeschlossene Webcam) setzt.

Das Gesicht als Schlüssel für Webservices wie Facebook

Drei weitere Vorteile sollen Keylemon helfen, die Konkurrenz im Mittelsegment der Sicherheitssoftware (Keylemon wird für 20 Dollar verkauft und gestattet eine dreissigtägige kostenlose Benutzung nach dem Download) abzuhängen.

  1. Die Software reagiert einerseits sehr robust auf Gesichter: „Auch wenn Du Dir eine Auge zuhältst vor der Kamera, reicht der Rest des sichtbaren Gesichts, um den Schlüssel zu generieren“, erklärt Gilles. Zugleich aber arbeitet die Firma daran, das Verfahren gegen „Foto-Attacks“ abzusichern: Das Vorhalten einer Fotografie vor die Kamera reiche schon jetzt nicht aus, um den Rechner zu öffnen, weil die Software nicht nur das Gesicht, sondern das Umgebungslicht am Arbeitsplatz und andere Faktoren einbezieht. Sie muss deshalb bei wechselnden Arbeitsplätzen mit weiteren Gesichtsbildern vor Ort sensibilisiert werden. Später soll die Software allenfalls auch noch kleine Bewegungen des Benutzers – hochziehen der Augenbrauen, Bewegung der Lippen – verlangen, um gegen Fotos gefeit zu sein.
  2. Zweitens verfügt Keylemon bereits über eine Stimmerkennung, die als Zusatzfeature zur Gesichtserkennung eingebaut werden könnte.
  3. Schliesslich wird Keylemon als Basis-Modul für Einlogg-Vorgänge auf diversen Webdiensten operieren können, die einzeln als Zusatzdienste angeboten werden. Geplant ist beispielsweise ein Plugin zu Facebook. Die persönliche Facebook-Site kann nach dessen Installation (auf dem Facebook-Server und im Account des Nutzers) nur durch die Autorisierung des auf dem Rechner des Nutzers installierten Keylemon-Hauptprogramms geöffnet werden.

Vorerst ist Keylemon nur für Windows erhältlich. Gilles erklärt mir, dass die Integration in die Anmelderoutine des Betriebssystems eine komplexe Aufgabe gewesen sei – „aber dank des Biz-Spark-Programms von Microsoft haben wir es nicht nur geschafft, sondern dabei auch etwa 15’000 Franken für Microsoft-Lizenzen gespart.“ Linux, auf dem Keylemon ursprünglich gebaut wurde, könnte irgendwann folgen; eine Apple Mac-OS X-Version sei ohne Partner nicht machbar, sagt Gilles: „Von Apple gibt es praktisch keine Informationen über das Betriebssystem – die Funktionsweise selber zu ergründen, wäre eine enormer Aufwand.“

Sollte Keylemon wirklich soviel besser sein als die Konkurrenz, dann dürfte sich das Vorgehen der Gründer als raffinierter Weg zum B2B erweisen: Zuerst die Benutzer gewinnen, dann die Bulk-Kunden. Derzeit könne sich die kleine Firma mit den Lizenzeinnahmen aus den Online-Verkäufen finanzieren, sagt Gilles. Aber ein Ausbau, beispielsweise des Marketings, liegt so nicht drin.

Immerhin hat Keylemon bereits an diversen Startup- und IT-Wettbewerben für Aufsehen gesorgt. Neben 2009 Red Herring Europe 100 hat Keylemon auch die Finalrunde der Ventureleaders bestanden und es in die zweite Runde von VentureKick geschafft, Lift Asia 09 und IMD Startup Competition 2008-2009 gewonnen.

Jetzt geht es um die Privatanwender und ihr Feedback nach den Käufen im Web. Beim Schweizerischen Nationalfonds ist ein Antrag auf Entwicklungsgelder für das Verfahren zur Absicherung gegen den Foto-Betrug hängig.

Keine Bananensoftware…

Und der Name, woher stammt denn der im amerikanischen etwas unglückliche Name? „Weil die Firma aus einem Studentenprojekt entstanden ist, wählten wir einen witzigen Namen: Bananasecurity. Aber sowie wir das erste Programm online stellten für den kostenlosen Download, haben uns die Hersteller der Buchhaltungssoftware Banana.ch mit einer Klage wegen Markenverletzung gedroht.“ Die Folge? Das nächstbeste Obst musste für den Namen herhalten.

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