Das Freemiumidee ist besonders bei Webstartups sehr beliebt. Wir fragen ob zu Recht.

Or is it? (Bild zvg von Kopa Sexton)Skype, Flickr, Xing, Trillian oder Dropbox sind einige der bekanntesten Freemium-Dienstleister im Web und sind damit erfolgreich. Entsprechend oft trifft man das Ertragsmodell in den Businessplänen von Webstartups an. Das heisst aber nicht, dass eine solche Preisstrategie leicht anzuwenden ist.

Im Web finden sich jede Menge Beiträge mit mehr oder weniger hilfreichen Überlegungen zu Freemium, von allgemeinen Tipps bis hin zu Berechnungsgrundlagen. Startwerk- und Netzwertig-Autor Andreas Göldi hat ebenfalls einen lesenwerten Beitrag zum Thema geschrieben. Also jede Menge Theorie; wir möchten hier versuchen, etwas Überblick zu schaffen.

Die landläufige Definition für Freemium lautet:

„Give your service away for free, possibly ad supported but maybe not, acquire a lot of customers very efficiently through word of mouth, referral networks, organic search marketing, etc., then offer premium priced value added services or an enhanced version of your service to your customer base.“ (Fred Wilson)

Soweit die Grundidee, Varianten für die Umsetzung gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen.

  • Eingeschränkte Funktionalität: Die grundlegendste Form. Benutzer bezahlen für zusätzliche Funktionen oder Werbefreiheit. Wichtig zu beachten ist, dass man de facto zwei verschiedene Produkte für verschiedene Kundentypen anbietet, die jeweils für sich genommen funktionieren müssen.
  • Nutzungsgrenzen: Es steht zum Beispiel nur begrenzter Speicherplatz zur Verfügung. Diese Form ist leicht zu realisieren, kann aber nur funktionieren, wenn man die Nutzungsgewohnheiten der Kunden gut genug kennt. Weiter lässt sich etwa die Dauer für die freie Verwendung limitieren. Das ist einfach umzusetzen, mag aber einzelne Kunden bereits vom Ausprobieren abschrecken. Zudem ist die richtige Test-Zeitspanne wichtig. Zu früh und der Kunde springt zu leicht ab, zu spät und man verschenkt viel Wert.
  • Kundensegmentierung: Der Service ist umsonst für eine bestimmte Kundengruppe. Zum Beispiel für Studenten, Unternehmen mit weniger als x Mitarbeitern, etc.
  • Zugang zu Gratisusern: Eric Ries nennt diese Variante „Free as Inventory“. In dieser Perspektive lassen sich zum Beispiel Google-Benutzer als Gratis- und Adwords-Kunden als Premiumuser auffassen. Hier bilden die leicht zu akquirierenden Gratisuser die Grundpopulation in gruppenbasierten Services. Das gleiche Prinzip findet oft bei sozialen Netzwerken oder besonders bei Partnersuchewebsites Anwendung. Premiumuser können andere Besucher kontaktieren, auch die Gratiskunden, diese müssen jedoch bezahlen um antworten zu können. Vorteil dieses Modells ist der Wert, den die Gratiskunden für die bezahlenden User und damit für den Anbieter generieren.

Für alle diese Modelle gilt natürlich: Die Conversion-Rate, also der Anteil der Umsteiger auf die Bezahlstufe muss genügend finanziellen Ertrag bringen. Die Conversion-Rate variiert relativ stark, liegt aber meist um die 5 Prozent. Xing ist mit rund 10 Prozent (abhängig vom jeweiligen Land) vergleichsweise gut aufgestellt.

Damit ein Freemium-Angebot auch funktioniert, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein.

  • Genügend hohe Wechselkosten: Lock-in-Effekte sind nötig, um den Kunden zum Umstieg auf Bezahlversion zu bewegen. Der Kunde sollte nicht einfach später auf einen anderen Gratisservice wechseln können, der vielleicht sogar ein Feature mehr bietet.
  • Skalierbarkeit:  Zum einen muss der Markt für das Angebot gross genug sein. Zum anderen sind die Kosten wichtig. Eine Conversion Rate von beispielsweise 5 Prozent heisst, anders gesagt, man verkauft das Produkt für ein Zwanzigstel seines Marktpreises an die Gesamtkundenschaft. Entsprechend genau müssen die Kosten für jeden zusätzlichen Kunden im Auge behalten werden. Digitaler Vertrieb ist zwar billig aber nicht umsonst, besonders wenn Support o.ä. dazu kommt.
  • Leichter Einstieg, selbst erklärendes Produkt: Niederschwelligkeit ist für Fred Wilson, der den Begriff „Freemium“ 2006 popularisiert hat, die wichtigste Voraussetzung für das Funktionieren. Das heisst im B2C-Markt: Möglichst keine Downloads, Plugins, und so weiter. Der Kunde muss barrierefrei zum Nutzer werden können, sich also das Produkt auch selbst erschliessen können. Im B2B-Markt muss zumindest gewährleistet sein, dass der Kunde mit dem Produkt umgehen kann. Wenn die Verwendung nicht selbst erklärend ist, fällt der Hauptvorteil von Freemium weg – die schnelle Adaption durch viele User. Software-as-a-service-Anbieter LucidEra hat zum Beispiel schlechte Erfahrungen damit gemacht, ein zu komplexes Produkt anzubieten.
  • Klarer Kundennutzen beim Upgrade: Dazu gehört eine einleuchtende value proposition. Dem Premiumkunden muss klar sein, wofür er bezahlt. Das Bezahlangebot darf nicht wie ein Donate-Button anmuten: Sonst hat der Premiumkunde das Gefühl, die kostenlose Version zu subventionieren statt etwas Wertvolles zu erwerben.
  • Zielgruppe ist eingegrenzt: Wer ist bereit, wieviel für die Premiumversion zu bezahlen?  Jedes Kundensegment, vom Poweruser bis zum Gelegenheitsnutzer hat seine eigenen Feature-Präferenzen. Wer die Premiumversion mit Features für jeden einzelnen vollpackt, droht die Gratisversion zu sehr zu verdünnen.

Trotz aller Überlegungen: Eine generelle Regel, wann sich Freemium lohnt, gibt es nicht. Letztlich ist entscheidend, wie plausibel das Angebot für den Kunden ist  – wie sicher kann man sein, dass der Zusatznutzen für die Premiumuser echt ist? Wenn sich das klar positiv beantwortet lässt und das Produkt auch in der freien Version gern benutzt wird, ist Freemium wahrscheinlich eine gute Preisstrategie.