Geheimhaltungsvereinbarungen sind umstritten und ihre Diskussion birgt böses Blut. Doch sie schaffen die Grundlage dafür, dass Jungunternehmer bei Anlässen frei diskutieren können.

Von Dariush Daftarian, Organisator StartUp Weekend

Dariush DaftarianDieser Gastbeitrag ist eine Replik auf den Bericht zum StartUp Weekend und einen weiteren Post zum Thema NDAs.

Als am 16. Mai das erste Schweizer StartUp Weekend zu Ende ging, wurden die Organisatoren, ich eingeschlossen, in den Himmel gelobt und gleichzeitig vernichtend gescholten. Der grösste Kritikpunkt in einer durchwegs positiven Bilanz waren die am Anlass im Technopark Zürich durchgesetzten Non-Disclosure Agreements oder kurz NDAs. Diese Geheimhaltungsvereinbarungen legen vertraglich fest, dass über gewisse erörterte Punkte Stillschweigen gewahrt wird.

Das StartUp-Weekend-Team hat sich primär aus Bedenken gegenüber der offenen Präsentation von Ideen für eine Durchsetzung von NDAs entschieden. Die Organisatoren befürchteten, dass die rund 100 Teilnehmenden nicht ihre besten oder erfolgversprechendsten Ideen präsentieren und der Anlass inhaltlich so an Qualität einbüssen würde.

Experten kritisch

Zahlreiche Experten aus der Szene, unter ihnen Jasper Bouwsma, ehemals bei Swisscom Venture und heute Innovationsberater (www.vujade.com), oder Jan Fülscher, Geschäftsführer der Business Angels Schweiz, quittierten die Entscheidung mit Unverständnis. Primär vertreten sie die Grundhaltung, dass ein NDA kein wirksamer Schutz ist. Stattdessen propagieren sie „be fast“. Wie in zahlreichen Lehrbüchern propagiert, ist der beste Schutz gegen Copy-Cats die Geschwindigkeit, mit der ein Unternehmen lanciert wird. Gerade in Bereichen, die rechtlich nur schwer schützbar sind, ist es auch der einzige. Dass die Strategie funktioniert, zeigen Fälle wie Micro Mobility Systems. Doch was, wenn die Entwicklungszeit nicht so kurz ist wie bei einem klassischen Marketing-Start-up? Was tun Biotech- oder Life-Science-Unternehmen wie redbiotec, HeiQ oder CovalX?

Richtig, sie tun gar nichts! Bevor es nicht um die Verhandlung von Finanzierungen oder dergleichen geht, werden die technischen Details des Cases nicht preisgegeben, sofern die Intellectual Property nicht hieb und stichfest gesichert ist. Und im Vorfeld von Finanzierungsrunden sind NDAs durchaus gängig, wie Jean-Pierre Vuilleumier, Managing Director der Investorenvereinigung CTI Invest, bestätigt. „Start-up-Unternehmen sollen NDAs verlangen, wenn es um wirklich Schützenswertes geht. Die meisten Investoren lassen sich dann auch auf die Vereinbarung ein. Tut dies ein Investor nicht, muss das Unternehmen entscheiden, ob es dem jeweiligen Investor vertrauen will. Offenbar haben gewisse Investoren, speziell in den USA, schlechte Erfahrungen gemacht und hüten sich nun vor den Geheimhaltungsvereinbarungen.“

CTI Invest weist auf Problematik hin

Die Investorenvereinigung CTI Invest hat in den Statuten keine explizite Geheimhaltungsklausel eingebaut. Bei der Vorbereitung zur Investorenpräsentation weist Vuilleumier die Unternehmen deshalb an, nur jene Informationen in die Präsentation zu integrieren, die auch öffentlich zugänglich sein sollen und dürfen. Die übrigen Inhalte können dann nach Wünschen der Unternehmen off the record ausgetauscht werden. Normalerweise kommen NDAs dann aber erst in der Due-Diligence-Prüfung zum Zug.

Für Medienschaffende wird in einer solchen Situation die Arbeit natürlich schwierig. Oftmals machen Unternehmen, die sich in Verhandlungen befinden, komplett alle „Schotten dicht“. Damit hat man einen interessanten Case, der eventuell finanziert wird und bei dem man nur sehr schwer an Informationen gelangt. Dabei habe ich selbst erlebt, wie unangenehm diese Situation für einen redaktionellen Mitarbeiter sein kann. Gerne würde man doch den Case porträtieren und so einen Mehrwert für den Leser schaffen.

„Meine Idee ist Microsoft 2.0“-Phänomen

Woher rührt die Ablehnung seitens Fülschers, Bouwsmas und Co.? Ist sie einfach Kritik um der Kritik willen? Keinesfalls. Die Situation am StartUp Weekend gestaltete sich wie folgt: Studenten, frisch von der Universität oder noch in der Ausbildung, traten an, ihre Ideen zu verwirklichen. Dabei kommt es zum klassischen Phänomen, das zahlreiche Gründer teilweise jahrelang prägt: das „Meine Idee ist Microsoft 2.0“-Phänomen. Anfangs geht man oft davon aus, dass die eigene Idee so viel Potential hat, dass sie jeder kopieren will. Und dieses Phänomen ist in der Anfangsphase als Begeisterung und Überzeugung auch oft erforderlich.

Verschiedenen Experten zufolge ist die Idee an sich jedoch meistens wenig wert. Vielmehr müssen Team, Marktgegebenheiten und Reife, Unternehmergeist, Entwicklungsfähigkeit des Gründers und das Investorenportfolio stimmen, um eine Idee zum Top-Durchbruch werden zu lassen. Schon Thomas Edison stellte fest: „genius is one percent inspiration and ninety-nine percent perspiration“, und genauso sehe ich das. Der Erfolg eines Start-ups hängt zum grossen Teil von der ‚ability to execute‘ ab und weniger von der Idee“, so Fülscher. Dabei stört sich Vuilleumier genauso wie Fülscher daran, dass sich gerade junge Gründer mit frischen, vielleicht noch nicht bahnbrechenden Ideen oftmals hinter einem NDA und einem sehr grossen Selbstbewusstsein verstecken. Alle Gesprächspartner bestätigten aber gleichzeitig, dass gegen NDAs bei weitergehenden Verhandlungen prinzipiell nichts einzuwenden ist.

Die Quintessenz daraus: NDAs sind bei den ersten Präsentationen meistens völlig überflüssig. Aber sie haben eine psychologische Wirkung, die potentielle Gründer dazu bringt, ihre Ansätze preiszugeben und sich einem Gespräch zu öffnen. Denn jeder Austausch braucht eine Diskussionsgrundlage, auf der man aufbauen kann. Und die ist es doch wert, dass Schreibende sich ab und an etwas mehr um ihre Quellen bemühen.

Dariush Daftarian ist einer der Mitorganisatoren des Startup Weekends, welches im März 2010 zum ersten Mal im Technopark Zürich statt fand. Er war nach seiner Matura für das Swiss Equity Magazin im Bereich Venture Capital tätig. Zur Zeit ist er Mitinhaber einer Marketing-Beratungsunternehmung für Start-ups, Klein- und Kleinstunternehmen und absolviert sein Betriebswirtschaftsstudium an der Universität St. Gallen. Für Startwerk.ch wird er einmal im Monat einen Artikel beitragen, in welchem er verschiedene Aspekte des Jungunternehmertums aufgreift.