Ein Startup kann sich nicht viele Fehlversuche leisten. Deshalb ist das richtige Timing viel wichtiger als für eine gestandene Firma.

Von Christoph Seitz, Mitgründer Spontacts

Es geht darum, mit dem richtigen Produkt zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Neben der Markteinführung spielt das Timing auch beim Start in die Selbständigkeit, bei der Firmengründung und bei der Technologiewahl eine wichtige Rolle.

Wann mache ich mich selbständig?
In der Schweiz besteht grundsätzlich kein Anreiz, sich selbständig zu machen. Wieso soll man sich vom warmen, gut bezahlten Büroplatz in die Kälte wagen? Der Schritt will wohl überlegt sein. Die Phase des Überlegens darf aber nicht zu lange dauern. Wer weiss, vielleicht sieht das Leben in einem Jahr ja völlig anders aus? Vielleicht ist der Traum vom Selbstständigsein dann gar nicht mehr möglich? Hier gilt der Grundsatz:

Lieber zu früh als zu spät.

Wann starte ich meine Firma?
Wir haben unsere GmbH vor rund zwei Jahren gegründet. Eine GmbH hat ihre Vorteile: Gegen aussen tritt man vertrauenswürdiger auf. Wir haben aber auch gemerkt, dass eine bestehende Firma ein Stolperstein sein kann. Nämlich dann, wenn man Fördergelder finden will. Oft werden diese nur für Projekte gesprochen, bei denen noch keine Firma besteht. Ohne GmbH, dafür mit einer innovativen Idee und einem Link zur Universität, hat man gute Chancen auf Startkapital.

Welche Technologien sind wann verfügbar?
Vor rund vier Jahren haben wir die Idee von «Spontacts» das erste Mal diskutiert. Wir wollten Freizeitpartner für Aktivitäten zusammenbringen, und dies auf eine innovative Art. Wir setzten auf das mobile Internet, obwohl es noch in den Kinderschuhen steckte. Wer hätte damals gedacht, dass sich mit iPhone, Android und co. das Surfverhalten so schnell und so grundsätzlich ändern würde? Im Nachhinein war es der richtige Entscheid, auf mobile Geräte zu setzen. Wir hatten einen Trend erkannt, das Timing war einfach Glück.

Wann mache ich das Produkt verfügbar?
So gut unser Riecher für das mobile Internet war, so schlecht war unsere Einschätzung des Entwicklungsaufwandes. Statt im Frühsommer bringen wir die marktfähige iPhone App rechtzeitig auf Silvester. In der IT lohnt es sich, alle Zeitschätzungen mit Faktor 2 zu multiplizieren. Die Verspätung hat aber auch ihre Vorteile: Im Moment haben wir eine Betaversion im AppStore und lernen unsere User besser kennen. Jemand hat uns gesagt, wir sollen diese Zeit geniessen. Wenn es mal richtig losgehe, dann verschiebe sich der Fokus zwangsweise auf das Tagesgeschäft.

Wann ist das Produkt bereit für PR?
Es lohnt sich, das Produkt «unter dem Deckel» zu halten und Kinderkrankheiten auszumerzen. Wenn man an die Öffentlichkeit geht, muss das Produkt überzeugen. Oft hat man nur einen «Shot» bei den Medien: Wer ein zweites Mal anklopft, hört mit grosser Wahrscheinlichkeit, die Story sei gelaufen. Es bringt also nichts, viel Aufmerksamkeit zu bekommen, aber keine aktiven User. Deshalb haben wir geduldig auf unseren Dezember-Release gewartet und die PR auf Januar eingeplant. Quasi als Auftakt bin ich am Jahresende Einzelkandidat in der TV-Quizshow «Traders». Das haben wir nicht so vorgesehen, aber passen tut es ausgezeichnet.

Das richtige Timing ist also extrem wichtig für den Startup-Erfolg. Manchmal ist Geschwindigkeit das A und O, manchmal will Gut Ding Weile haben. Es gilt, einen groben Zeitplan für sich aufzustellen. Dass es kurzfristige Abweichungen gibt, liegt in der Natur der Sache. Bei einem Startup ergeben sich immer wieder neue Chancen. Neue Teammitglieder, neue Kooperationspartner, neue Produktideen – solche Chancen soll man nicht verpassen, auch wenn das Timing nicht 100% stimmt. Gleichzeitig soll man sich aber nicht zu sehr ablenken lassen und den Markteintritt zur richtigen Zeit schaffen. Wir hoffen, dass uns das mit unserer Applikation gelingt. Ist dies der Fall, steht dem Timing einer Investitionsrunde nichts mehr im Wege.