Wer Geschäftsunterlagen nicht vorschriftsmässig aufbewahrt, handelt sich vielleicht grosse Schwierigkeiten ein. Unser Gastautor erklärt, worauf Startups achten sollten.

Gastbeitrag von Martin Steiger, Rechtsanwalt

Rechtstipps für StartupsIn der Schweiz unterliegen Unternehmen einer handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungspflicht für Geschäftsunterlagen. Diese Aufbewahrungspflicht wird erfahrungsgemäss von vielen kleinen und mittleren Unternehmen, gerade auch Startups, vernachlässigt.

Welche Unternehmen unterliegen der Aufbewahrungspflicht? 

Die Aufbewahrungspflicht für Geschäftsunterlagen besteht einerseits handelsrechtlich für Unternehmen, die zum Eintrag ins Handelsregister verpflichtet sind. Dazu zählen insbesondere Aktiengesellschaften (AG) und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), aber unter bestimmten Umständen auch Einzelunternehmer.

Ausserdem kennt das Steuerrecht eine Aufbewahrungspflicht. Im Zweifelsfall sollte man davon ausgehen, dass jede natürliche oder juristische Person, die in der Schweiz unternehmerisch tätig ist, der Aufbewahrungspflicht unterliegt.

Innerhalb von Unternehmen ist jeweils das oberste Verwaltungsorgan für die Einhaltung der Aufbewahrungspflicht verantwortlich, bei einer AG folglich der Verwaltungsrat oder die damit beauftragte Geschäftsführung.

Für welche Geschäftsunterlagen gilt die Aufbewahrungspflicht?

Alle buchungs- und steuerrelevanten Geschäftsunterlagen müssen aufbewahrt werden. Dazu zählen insbesondere:

  • Jahresabschluss (Bilanz und Erfolgsrechnung mit Anhängen)
  • Jahresbericht
  • Buchhaltung (unter anderem Hauptbuch, Kontenplan, Journal, Hilfsbücher wie beispielsweise die Debitorenbuchhaltung und Belege)
  • Geschäftskorrespondenz mit Buchungsrelevanz (auch E-Mail und sonstige elektronische Kommunikation)

Wie lange dauert die Aufbewahrungspflicht?

Gemäss Handels- und Steuerrecht auf Bundesebene müssen Geschäftsunterlagen grundsätzlich während zehn Jahren aufbewahrt werden. Für Geschäftsunterlagen im Zusammenhang mit unbeweglichen Gegenständen wie beispielsweise Grundstücken gilt eine Aufbewahrungsfrist von 20 Jahren. Die Aufbewahrungsfrist beginnt jeweils mit Ablauf des betreffenden Kalenderjahres und dauert über das Ende eines Unternehmens hinaus. Das heisst, die Aufbewahrungsfrist läuft beispielsweise nach der Auflösung einer AG wegen eines Konkurses weiter.

Kantonales Steuerrecht sieht teilweise längere Aufbewahrungsfristen vor. So kennt das Steuerrecht des Kantons Zürich eine Aufbewahrungsfrist von 15 Jahren.

Über die gesetzliche Aufbewahrungspflicht hinaus gibt es Geschäftsunterlagen, deren Aufbewahrung über einen längeren Zeitraum sinnvoll ist. Beispiele dafür sind Verträge mit entsprechend langer Laufzeit oder Geschäftsunterlagen im Zusammenhang mit Liegenschaften.

Wie müssen Geschäftsunterlagen aufbewahrt werden?

Aus rechtlicher Sicht ist lediglich eine «ordnungsgemässe» Aufbewahrung der Geschäftsunterlagen gemäss den «anerkannten kaufmännischen Grundsätzen» notwendig. Nur für den Jahresabschluss ist ausdrücklich vorgeschrieben, dass Bilanz und Erfolgsrechnung im unterzeichneten Original auf Papier aufzubewahren sind. Bei anderen Geschäftsunterlagen kann die Aufbewahrung auch elektronisch oder auf vergleichbare Weise erfolgen.

Die anerkannten kaufmännischen Grundsätze sehen unter anderem vor, dass die Echtheit, Vollständigkeit und Unverfälschbarkeit sowie der Schutz der aufbewahrten Geschäftsunterlagen gewährleistet werden muss. Die Geschäftsunterlagen müssen jederzeit verfügbar und lesbar sein. Die Aufbewahrung ist praxisgemäss auch im Ausland möglich, sofern Verfügbarkeit und Lesbarkeit jederzeit gewährleistet sind und das schweizerische Datenschutzrecht beachtet wird.

Die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen in Papierform ist vergleichsweise einfach und deshalb empfehlenswert, da bedrucktes Papier als Informationsträger die oben erwähnten Bedingungen erfüllt. Elektronische Geschäftsunterlagen können auf Papier ausgedruckt werden. Bei grösseren Mengen an elektronischen Geschäftsunterlagen hingegen ist die Verwendung von Informationsträgern notwendig, die gemäss den Grundsätzen der ordnungsgemässen Datenverarbeitung entweder unveränderbar sind (beispielsweise nur einmal beschreibbare DVDs) oder bei denen mit technischen Verfahren die Integrität der gespeicherten Informationen gewährleistet ist (beispielsweise Festplatten mit digitalen Signaturen, Zeitstempeln und Protokollen). Ein Schweizer Anbieter entsprechender Systeme ist Archivista.

Welche Folgen hat das Nichtbeachten der Aufbewahrungspflicht? 

Rechtlich besteht die Gefahr, dass notwendige Beweise nicht mehr erbracht werden können, beispielsweise zur nachträglichen Steuerminderung gegenüber Steuerbehörden oder in einem Rechtsstreit. Das Strafrecht sanktioniert Verstösse gegen die Aufbewahrungspflicht mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe – beispielsweise bei Gläubigerschädigung im Fall des Konkurses einer AG. Aufgrund dieser und anderer rechtlicher Risiken ist die Einhaltung der Aufbewahrungspflicht grundlegend für die erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen in der Schweiz.

Handfeste rechtliche Tipps vom Profi zu einem Startup-Thema gibt es regelmässig in der Rubrik «Recht für Startups». Wer eine Frage als Themenvorschlag für unseren Gastautor unterbringen möchte, tut dies am besten via die Tippsbox.

Zum Autor: Martin Steiger studierte an der Universität St.Gallen (HSG) und ist langjähriger Anwalt für Recht im digitalen Raum. Die Schwerpunkte seiner Anwaltskanzlei in Zürich liegen im IT-, Immaterialgüter- und Medienrecht. In seiner Freizeit engagiert er sich unter anderem bei der Digitalen Gesellschaft und bei TEDxZurich.

Im Zweifelsfall, bei Unklarheiten und für Abklärungen im Einzelnen empfiehlt sich die Beratung durch eine Fachperson wie beispielsweise einen Rechtsanwalt.