Zur Suche nach innovativen Startup-Ideen wird oft Out-Of-The-Box-Denken als Schlagwort genannt – doch wie geht man da systematisch vor?

von Bernhard Schindlholzer, Gründer von Userfeedback

Etablierte Unternehmen schaffen es oft nicht, neue Produkte oder Märkte zu identifizieren. Das beste Beispiel ist die Musikindustrie, die angesichts neuer Technologien nicht in der Lage ist, diese wirtschaftlich relevant zu nutzen. Stattdessen fällt diese Rolle Jungunternehmen zu, von Napster im Jahr 2000 bis zu Spotify oder turntable.fm. Diese gestalten mit frischen Ideen den Markt komplett neu.

Woran liegt es, dass vor allem kleine Unternehmen disruptive Ideen entwickeln, während etablierte Unternehmen anscheinend nicht in der Lage sind, Ideen mit einem ähnlichen Innovationsgrad zu entwickeln? 

Scheinbare Wahrheiten

Der Hauptgrund dafür sind sogenannte Frames, also Rahmen, mit denen man die Welt betrachtet. Sie umfassen sowohl die bewussten aber auch unbewussten Annahmen, die man jeden Tag trifft, wenn man durch die Welt geht. Existierende Unternehmen sind häufig in ihren Auffassungen festgefahren und haben Probleme, bestehende Annahmen, auf denen das eigene Geschäftsmodell basiert, zu hinterfragen. Jungunternehmen hingegen sehen die Möglichkeiten neuer Ansätze eher – und sind nicht gefangen in einem traditionellen Tagesgeschäft. – Der Innovationsprozess wird nicht belastet von der Sorge darum, das eigene Geschäftsmodell zu torpedieren.

Beispiel: Aus der Sicht eines Unternehmens der Musikindustrie sind neue Technologien für die Distribution von Musik eine Gefahr, da sie Umsätze über bestehende Kanäle gefährden. Die Annahme ist, dass Musik auf physikalischen Tonträgern in einem Laden gekauft werden und die Tonträger darum nicht kopiert werden dürfen. Sie bildet das Fundament der Musikindustrie und wurde jahrzehntelang nicht in Frage gestellt. Warum nicht anders? Anstatt Musik zu kaufen, könnte ich sie doch auch mieten?

Ein weiteres Beispiel ist die Luftfahrtindustrie und das Aufkommen von Billigfluglinien. Etablierte Airlines haben Flugangebote belächelt, bei denen während des Fluges kein Essen angeboten wird oder kleine, regionale Nebenflughäfen angeflogen werden. Inzwischen sind die Billigflieger vom Markt nicht mehr wegzudenken.

In der Rubrik Startup-Diary schildern Jungunternehmer wöchentlich, mit welchen praktischen Problemen sie in ihrem Gründeralltag konfrontiert werden und welche Lösungsansätze sie gefunden haben.
Es existiert auch ein gutes Schweizer Beispiel: Blacksocks, bei dem – vermutlich unbewusst – eine wichtige Annahme hinterfragt wurde (Socken werden über den Detailhandel verkauft, Abos sind etwas für Medien) und stattdessen eine neue Idee geboren wurde, die den Kunden das regelmässige Nachkaufen von Socken erspart. Damit entstand ein komplett neues Geschäftsmodell – das Erfolg hatte wegen eines zusätzlichen Mehrwerts: der Abschaffung des Socken-Sortierens.

Denkblockaden beseitigen

Durch eine Neudefinition von Annahmen kann die Basis für neue Ideen geschaffen werden. Der wichtigste – aber auch schwierigste – Schritt ist dabei, dass man bestehende Annahmen identifiziert und diese in Frage stellt um auf die wahren Gründe für diese Annahmen zu stossen. – Und dabei zu erkennen, ob diese wirklich zwingend sind oder nur Konventionen darstellen.

Der amerikanische Professor Gareth Morgan ist in seinem Buch Images of Organization (Affiliate-Link) dieser Idee nachgegangen. Dabei stellt er auch das Potential der Neudefinition dieser Rahmen fest und prägte einen Begriff dafür: Creative Reframing.

Es gibt verschiedene Techniken, mit denen man dieses anwenden und neue Ideen entwickeln kann. In einem nächsten Beitrag wird es um vier konkrete Methoden dazu gehen.