Eine Studie hat die Startup-Investitionen der europäischen Länder verglichen. Was für ein Zeugnis stellt sie der hiesigen Szene aus?

Investitionen nach Ländern {istock;istockphoto.com}Das Startup-Ökosystem eines Landes wird neben seiner Innovationskraft auch stark davon geprägt, wieviel Geld in neu gegründete Unternehmen fliesst.

Einen kompakten Überblick gibt da eine aktuelle Mini-Studie. Steffen Wagner und Lucas Laib von investiere.ch haben sich dafür die VC-Ausgaben in Europa angeschaut und mit einem Ranking der IESE verglichen, das die Attraktivität von Ländern für Investoren aufzuschlüsseln versucht.

Die Take-Away-Erkenntnisse:

  • In keinem europäischen Land fliesst so viel Geld in VC-Finanzierung wie in der Schweiz. Mit 69 Dollar pro Kopf lässt die Schweiz sogar die USA hinter sich (67 Dollar). Netto importieren wir sogar VC-Geld. Das passt zum Index: Mit Rang sechs im Index-Ranking landet die Schweiz über alle Faktoren angeschaut auch auf einer Spitzenposition.
  • Zum Vergleich: Frankreich und Grossbritannien kommen deutlich weiter hinten mit einem Spend zwischen 30 und 40 Dollar. Der Grund: Ihre Startup-Ökosysteme konzentrieren sich auf die Hotspots Paris und London, die international führend sind, aber im Land relativ alleine stehen.
  • Die grösste Volkswirtschaft des Kontinents, Deutschland, und andere Länder mit gutem technologischen Background rangieren investitionsmässig überraschend weit unter dem Durchschnitt – mit weniger als 30 Dollar. Investiere ist der Ansicht, dass fehlender Innovationsdruck dafür verantwortlich ist: Grund sei wohl «eine starke Grossindustrie bzw. grosse Rohstoffvorkommen und eine vergleichsweise stabile Wirtschaftslage».

Die Equity Gap

Die Schweiz in Spitzenposition – da stellt sich prompt die Frage: Wie kommt es, dass es trotzdem extrem schwierig ist, an Finanzierung zu kommen?

Grund ist eine Finanzierungslücke. Diese tut sich in der Mitte auf, zwischen Seed- und Later-Stage. Diese sind abgedeckt: Förderinstitutionen und Stiftungen machen einen guten Job dabei, Startups zu entdecken, sichtbar zu machen und ihnen den Start zu erleichtern. Und, sofern die mittlere Phase überstanden ist, sei es wiederum einfacher, an VC-Geld zu kommen, meint Steffen Wagner.

In der Early-Stage-Phase hingegen harzt es; dort wo Jungunternehmen nach Finanzierungrunden für das Wachstum nach dem Start suchen, Series A und Series B.

Staat als Helfer?

Wie könnte man Startups über diese Finanzierungslücke hinweghelfen? Immer wieder im Gespräch sind staatliche Fonds, die aber von kaum einer Seite begeisterten Zuspruch erhalten. Wenn überhaupt solche Vehikel in Erwägung gezogen werden, dann höchstens als Ko-Investor oder per Matching-Fund (es fliesst nur Geld, falls ein privates Lead-Investment bereits vorliegt), was die Vorbehalte gegenüber dem Staat als Investor deutlich macht.

Auch Steffen Wagner ist der Meinung, dass privates Kapital die bessere Alternative wäre, schliesslich sei das in Schweiz auch vorhanden. Am einleuchtendsten scheint es da, zusätzliche Investoren zu motivieren. Privatvermögen gibt es hierzulande genug – es fehlt höchstens an der Sichtbarkeit der Startup-Szene. In den USA schaffen Instrumente wie die AngelList hier Transparenz und sorgen dafür, dass unerfahrene Investoren leichteren Zugang zum Ökosystem erhalten.

Hierzulande ist das Ganze ein Insidergeschäft. Investoren «verstecken» sich beispielsweise in Business Angel Clubs und sind für Nicht-Insider kaum sichtbar. Das ist tief verankert, so ist auch in den meisten Standard-Termsheets vorgesehen, dass Beteiligungen geheim bleiben.

Kultur als Bremser

Muss das so sein? Steffen wünscht sich hier mehr Transparenz: Das heisst vor allem mehr prominente private Investoren, die sich zu ihrer Tätigkeit bekennen und so Vorbildcharakter haben. Als eine Art Ambassadoren könnten sie Beteiligungen an Startups als spannende, alternative Geldanlage ins Gespräch bringen. Das könnte einen Kulturwandel herbeiführen, der für das ganze Ökosystem Vorteile bringt.

Neben den bestehenden liessen sich so auch neue Investorengruppen ansprechen. Fündig wird man ehesten dort, wo das nötige Kleingeld vorhanden wäre. Zwei neue Zielgruppen für das Investoren sieht investiere in family offices (private Grossvermögen) und Pensionskassen. Beide haben Mittel, suchen nach Geldnanlagen und haben die Möglichkeit, diversifizierte Investments zu tätigen – können also das Risiko verteilen.

Das scheint mir keine schlechte Idee zu sein, eine Debatte zum Thema wäre sinnvoll. Ziel: Ein Weg, die Finanzierungslücke ohne komplexe neue Fördermassnahmen füllen.

Wie Steffen meint: ein dynamisches Investitionsklima ist vor allem eine Frage der Kultur, mehr als eine der Rahmenbedingungen.