Wer sich selbständig macht und Startkapital braucht, darf dafür seine Vorsorgekonti leerräumen. Unser Gastautor erklärt, wo dabei Vorsicht geboten ist.

Gastbeitrag von Martin Steiger, Rechtsanwalt

Rechtliche Tipps von Martin Steiger

Beim Schritt in die Selbständigkeit ist es grundsätzlich möglich, angespartes Freizügigkeitskapital bei einer Pensionskasse oder auf Freizügigkeitskonten vorzeitig in bar zu beziehen. Die gleiche Möglichkeit besteht auch für Guthaben in der privaten Vorsorge (Säule 3a).

Unter welchen Bedingungen ist das erlaubt und welche Regeln müssen angehende Selbständige dabei beachten?

Das BVG-Altersguthaben – BVG steht für das einschlägige Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge – wird nur unter zwei Bedingungen ausbezahlt:

  1. Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, und
  2. Wegfall der Unterstellung unter die obligatorische berufliche Vorsorge.

Nummer eins bedeutet, dass die zuständige AHV-Ausgleichskasse – im Kanton Zürich beispielsweise die Sozialversicherungsanstalt (SVA) des Kantons – die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit bestätigt hat. Die SVA Zürich prüft das anhand eines Fragebogens (PDF) und benötigt ergänzende Belege wie zum Beispiel Kopien von Offerten und Rechnungen, den geschäftlichen Mietvertrag oder Verträge mit Auftraggebern.

Nummer zwei bedeutet, dass man nicht mehr als unselbständiger Arbeitnehmer mit einem Lohn beschäftigt wird, der der beruflichen Vorsorge unterstellt ist. Für 2013 gilt das BVG-Obligatorium ab einem Jahreslohn von mehr als 21’060 Franken. Wer Arbeitnehmer ist und seine Selbständigkeit Schritt für Schritt in Teilzeit angehen möchte, darf keinen höheren Jahreslohn erhalten, wenn er sein Altersguthaben für seine Selbständigkeit nutzen möchte.

Nicht möglich bei GmbH oder AG

Keine Auszahlung ist möglich, wenn der Schritt in die Selbständigkeit durch die Gründung einer Kapitalgesellschaft wie einer Aktiengesellschaft (AG) oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) erfolgt. Die Gründer einer AG oder GmbH sind bei diesen als Arbeitnehmer mit obligatorischer beruflicher Vorsorge angestellt. Aus diesem Grund steht das BVG-Altersguthaben nicht als Startkapital zur Verfügung. Möglich ist die Auszahlung nur, wenn erst später in eine GmbH oder AG umgewandelt wird.

Ist eine Auszahlung möglich, muss sie innert zwölf Monaten nach Aufnahme der Selbständigkeit beantragt werden. Danach steht das Altersguthaben nicht mehr in bar zur Verfügung, sondern muss in der beruflichen Vorsorge verbleiben – beispielsweise auf einem Freizügigkeitskonto. Für teilweise Selbständige beginnt die Frist von zwölf Monaten erst zu laufen, wenn sie nicht mehr der obligatorischen beruflichen Vorsorge unterstehen.

Eine Teilauszahlung ist nicht möglich, sondern es muss das gesamte Altersguthaben bezogen werden. Das bezogene Altersguthaben muss versteuert werden, was mittels Quellensteuer oder einer Meldung an die Steuerbehörden geschieht. Bei Selbständigen, die verheiratet sind oder in einer eingetragenen Partnerschaft leben, muss der Partner einer Auszahlung zustimmen. Die Behörden können einen Zivilstandsnachweis einfordern, damit sichergestellt ist, dass die Partnerin oder der Partner nicht übergangen wird.

Empfehlungen

Der Schritt in die Selbständigkeit ist immer mit Unsicherheiten verbunden. Bei einem Scheitern der Selbständigkeit droht der Verlust der angesparten Altersguthaben. Aus diesem Grund sollte nach Möglichkeit vom der Auszahlung der Altersguthaben abgesehen werden, gerade auch bei älteren Selbständigerwerbenden.

Ist eine Auszahlung notwendig, sollte so bald wie möglich wieder eine Altersvorsorge aufgebaut werden. Ein solcher Aufbau kann für Selbständige attraktiv sein: Einerseits gelten Einkäufe in eine Pensionskasse nicht vollständig als AHV-pflichtiges Einkommen und andererseits verfügen Selbständige über mehr Spielraum bei der Ausgestaltung ihrer Altersvorsorge.

Handfeste rechtliche Tipps vom Profi zu einem Startup-Thema gibt es regelmässig in der Rubrik «Recht für Startups». Wer eine Frage als Themenvorschlag für unseren Gastautor unterbringen möchte, tut dies am besten via die Tippsbox. Zum Autor: Martin Steiger studierte an der Universität St.Gallen (HSG) und ist langjähriger Anwalt für Recht im digitalen Raum. Die Schwerpunkte seiner Anwaltskanzlei in Zürich liegen im IT-, Immaterialgüter- und Medienrecht. In seiner Freizeit engagiert er sich unter anderem bei der Digitalen Gesellschaft und bei TEDxZurich.

Im Zweifelsfall, bei Unklarheiten und für Abklärungen im Einzelnen empfiehlt sich die Beratung durch eine Fachperson wie beispielsweise einen Rechtsanwalt.