Rehabilitation: Eine ganze Reihe von Startups tummelt sich zurzeit auf diesem boomenden Feld. Ein Life-Science-Experte erklärt, warum.

Wirft man einen Blick auf beachtete Life-Science-Startups der jüngsten Zeit, stösst man zum Beispiel auf YouRehab. Das Startup hat venture kick und den ZKB-Pionierpreis gewonnen und sich eine erste Finanzierungsrunde gesichert. YouRehab will geschädigten Patienten das Bewegen wieder beibringen und setzt dafür auf Computerspiele. Dazu haben die Gründer spezielle Hard- und Software entwickelt: Datenhandschuhe, mit denen das Greifen von Gegenständen trainiert wird oder Sensorschuhe, mit denen Patienten einen virtuellen Ball treten. Auf einem Bildschirm erscheint das dazugehörige Spielfeld.

YouRehab ist aber längst nicht das einzige Startup, das an neuen Ansätzen für die Bewegungstherapie tüftelt.

Von 3D bis Robotik 

Mindmaze aus Lausanne ist in ähnlichen Gefilden unterwegs. Das Jungunternehmen möchte die virtuelle Realität via 3D-Brille zur Behandlung von Schlaganfallpatienten nutzen. Im Spital und Zuhause könnten diese künftig ihre Übungen selbständig durchführen. Das Startup Ability wiederum will Beinen das Laufen neu antrainieren, eine Trainingsmaschine soll Gehbehinderten helfen. Oder ReHaptix aus Zürich: Die Gründerin Marie-Christine Fluet (venture leaders 2013) entwickelt einen Roboter-gestützten Test, der misst, wie gut Arme und Hände nach einem Schlaganfall funktionieren. Ziel ist, die Diagnostik zu verbessern.

Ich fragte den Life-Science-Experten Mario Jenni, Managing Director beim Bio-Technopark Schlieren, ob wir hier einen aufkeimenden Cluster vor uns haben.

Das sei ein bisschen hoch gegriffen, meint Jenni. Ein Hotspot sei es aber auf jeden Fall. Das liege auch an den Forschungsgrundlagen. Mit der Uniklinik Balgrist oder Initiativen der Uni Zürich und der ETH träfe aktuelle Forschung im Grossraum Zürich auf passende Fachkompentenzen. Diese ortet Jenni in Voraussetzungen für interdisziplinäre Technologie. Reha-Technologie stehen meist an der Schnittstelle zwischen Feinmechanik, Informatik und Medizin. Hier sei man gut aufgestellt.

Gesundheitskosten als Treiber

Die Frage liegt nahe, wie solche Technologie-Trendthemen entstehen. «Push und Pull müssen zusammentreffen», sagt Jenni. Forschungstrends seien wichtig, funktionierten aber nur zusammen mit passender Nachfrage am Markt. Bei Reha-Technologien sehe es danach aus, als sei diese sei vorhanden. Ein Grund dafür: Gesundheitskosten, die weltweit aus dem Ruder laufen.

Neben einer Erhöhung der Lebensqualität haben Reha-Startups das Potential, gesellschaftliche Kosten zu senken. Zum Beispiel, indem Patienten wieder ins Arbeitsleben zurückfinden.

Direkt im Gesundheitssystem spürbar sei das eingesparte Personal, denn eine der Hoffnungen wären effizientere Behandlungen. Nach einem Schlaganfall oder Unfall Bewegungen neu zu lernen heisst meist, bei Null zu beginnen. Schritt für Schritt trainiert der Patient seinem Körper simple Abläufe wieder an; ein Prozess, der Geduld und Durchhaltevermögen erfordert. Der Weg zu ersten Erfolgserlebnissen dauert lang und ist «eine langweilige Geduldsprobe», so Jenni. Patienten zum Dranbleiben motivieren sei darum eine der wichtigsten Aufgaben von Therapeuten. Neue Behandlungen, die dem Training etwas von seiner Beschwernis nehmen, seien gefragt. Sie wären interessant für Spitäler, Rehabilitationskliniken und Praxen.

VCs kommen zu spät

Ökonomisch attraktiv sei das Feld Reha für Schweizer Startups, da in diesem Sektor «der Kostenfaktor weniger entscheidend ist». Bei medizinischer Technik stehe Qualität und Compliance im Vordergrund. Dass die Schweiz ein teurer Standort mit hohen Herstellungskosten ist, fällt darum nicht so stark ins Gewicht.

Potential ist also da. Warum sehen wir nicht mehr solche Hotspots oder züchten gar gezielt Cluster heran? Einen Technologiecluster «Top-Down» zu organisieren sei schwierig, sagt Jenni. «Solche Kompetenzzentren lassen sich kaum am grünen Tisch planen.»

Viel müsse zusammenkommen, damit sich ein Erfolg einstelle, von Bildungsinstitutionen bis hin zur passenden Infrastruktur. Dazu gehöre auch eine Portion Glück, denn erste, erfolgreiche Unternehmen hätten Promotionspotential: einige Startups mit guten Produkten hätten eine positive Ausstrahlung und lockten weitere an. Wolle man aber generell etwas für Life-Science-Ventures tun, könne man Lücken in der Wertschöpfungskette stopfen. Grösstes Problem bleibe die Finanzierung. Besonders bei kapitalintensiven Jungunternehmen, etwa Medikamenten-Startups, kämen VCs oft zu spät. Jenni wünscht sich daher mehr Frühphasen-Investments von Grossunternnehmen und gleichzeitig Fördergelder auf nationaler oder europäischer Ebene, zum Beispiel in Form von Matching-Funds.

(Bild: snre auf flickr.com, CC BY)