Unternehmertum hat man im Blut. Wie Dominik Grolimund, der mit 17 seine erste kommerziell erfolgreiche Firma gründete. Was mir Ende zwanzig nicht annähernd gelang. Oder ist doch alles nur Erziehung und Ausbildung?

Dominik Grolimund mit Neffe Ewan, um Aufmerksamkeit bettelt Neffe Noah. Liegt das Unternehmertum in der Familie? (zvg)

Mit dem Anbruch des Informationszeitalters öffnete sich eine Gründerwelt voller Möglichkeiten, wie es sie wohl nie zuvor gegeben hat. Schon als Teenager hat mich die Möglichkeit fasziniert, nur mit Zeit und Wissen aus buchstäblich nichts einen Mehrwert zu schaffen, der sich massenhaft verkaufen lässt: Weiche Ware – Software.

Bevor sich das neue, grosse Feld der „New Economy“ auf Dienstleistung und Skalierbarkeit durch das Netz konzentrierte, stand vor 15 Jahren ein etwas konventionelleres Geschäft im Vordergrund, wenn auch unter ganz neuen Produktionsbedingungen. Jeder konnte, fast ohne Kapital, nur mit Zeit, Wissen und einer Programmierumgebung, in den Software-Markt einsteigen. Mit „Shareware“ kam ein neues Lizenzmodell auf, das auf viralem Marketing basierte und die Marktschwelle weiter senken sollte.

Ich war fasziniert. Unter der Leidenserfahrung von acht Jahren Lateinunterricht schrieb ich für mein Russisch-Studium einen Vokabeltrainer für Windows.

Ich beschaffte eine kyrillische Schriftart; die Lizenz des Buchverlags, die Wörter-Lektionen zu kopieren; mit einer Basler Buchhandlung kam ein „Vertriebsabkommen“ zustande. Ich „verkaufte“ etwa 50 Lizenzen und verdiente knapp das Geld, das ich in den Herstellungsprozess gesteckt hatte. Und frage mich bis heute, was ich falsch gemacht habe.

Fehlt mir der Unternehmergeist? Oder das Gründer-Gen?

Dass man zum Unternehmertum ein Talent haben oder eben vielleicht darauf hin erzogen werden muss, daran hege ich wenig Zweifel. Aber um mehr zu erfahren, müsste man wohl die Jugendinteressen von Unternehmerpersönlichkeiten untersuchen.

Ein Fallbeispiel, das meinem gleicht und doch ganz anders ist, habe ich im Sommer 2007 in der Person von Wuala-Gründer Dominik Grolimund im Silicon Valley angetroffen. Der Jungunternehmer aus der Schweiz war auf Werbetour für sein topmodisches Web 2.0-Online-Speichersystem, kostenlos für die Nutzer, professionell aufgezogen und vermarktet.

Dem Web 2.0-Unternehmen Wuala...

Das Startkapital stammt aus dem Erfolg von Grolimunds erster Firma: Er hatte mit 17 als Gymnasiast den Grundstein für ein kleines Vermögen gelegt – mit einer Software.

Was hat Grolimund anders gemacht als ich? Gar nicht so viel. Was hat er besser gemacht als ich? Alles. Indem er konsequenter, fokussierter und mit mehr Durchhaltewillen auf ein Ziel hin arbeitete.

Von seinem Vater in die Programmierung eingeführt, schrieb er als 16jähriger eine Adressverwaltung, die den Zwecken des väterlichen Treuhandbüros diente. Aber „anstelle einfach was für meinen Vater zu machen, wollte ich etwas machen, das viele Leute brauchen konnten. “

Also betrieb der junge Hobbyunternehmer etwas Marktforschung im Berufsumfeld des Vaters. Er klärte die Angebotslage und den Markt ab. Er generalisierte das Projekt. Er passte es der geschätzten Nachfrage an und plante den Markteintritt . Wahrscheinlich, ohne diese Schritte einzeln benennen zu können.

Ich dagegen hatte bei der Produktion meines Russisch-Paukprogramms keinen einzigen davon vollzogen und schreckte vor weiterem Aufwand und dem Risiko der Vermarktung zurück. In meinem erzieherischen Umfeld galt Risiko als etwas, was zu vermeiden ist. Meine berufliche Laufbahn fand in sicheren Bahnen der Festanstellung statt.

Dominik: „Als Kind und in meiner Jugend bin ich mit meinen Freunden ständig irgendwelchen Projekten nachgegangen, angefangen bei einer eigenen Zeitung über einen Film bis zum Computerspiel. Ich wollte nicht nur Ideen haben, mich interessierte es, sie umzusetzen, bis zum Schluss .“

Seine Freizeit habe sich nicht so grundsätzlich von derjenigen der andern Kids unterschieden, meint Dominik: „Tagsüber war ich mit Freunden unterwegs, abends und manchmal nachts habe ich programmiert.“ Weil ihm die Schule leicht fiel, hatte er vielleicht mehr Zeit zur Verfügung als andere. „Ich bin sehr strukturiert vorgegangen und hab versucht, möglichst effizient zu sein.“ Also alles eine Frage des Trainings? „Nicht nur. Mein Vater hat diesen Drang, Dinge umzusetzen – den habe ich wohl von ihm geerbt.“

...Caleido, eine Adresssoftware, heute noch verfügbar.

Zur Neugierde gesellte sich zunehmende Erfahrung, daraus entstand Selbstvertrauen . Dominik schrieb „Caleido Address-Book“ – und legte ein genau so zielgerichtetes Vorgehen fürs Marketing an den Tag wie zuvor bei der Produktevaluation. Mit 17 marschierte der Jungprogrammierer selbständig an die IT-Messe Orbit in Basel und stellte dort seine Software vor. „Dann habe ich es vor allem in Deutschland über Zeitschriften und als Shareware verkauft.“ Und schliesslich setzte er auf konventionelle Vertriebskanäle wie Mediamarkt und Vobis. Er verkaufte insgesamt 35’000 Lizenzen.

Wie wichtig ist dabei Unterstützung aus dem eigenen Umfeld? „Natürlich hilft und ermutigt es, wenn man bei seinem Vorhaben unterstützt wird. Meine Eltern haben mich immer unterstützt, wenn ich selbständig etwas machen wollte.“ So weit, dass Dominik sich auch gleich als Arbeitgeber erproben konnte: Nachdem er eine Website eingerichtet und eine zweite Telefonleitung ins Elternhaus hatte legen lassen, engagierte er seine Mutter in Teilzeit als Supportmitarbeiterin.

Das verschafft die Zuversicht, die es für diese Schritte braucht.  „Für mich war das ein Spiel, eine Leidenschaft. Ich wollte etwas unternehmen, etwas anpacken und umsetzen. Ich kann nicht ruhig da sitzen. Risikobereitschaft gehört dazu.“ Wie die Fehlschläge. „Zusammen mit einem Freund hatte ich noch vor der Matur ein grosses Adventure-Computerspiel entwickeln und auf den Markt bringen wollen. Die Story hatten wir geschrieben, die Rätsel ausgetüftel und wunderschöne 3D-Modelle der Umgebung angelegt. Aber wir mussten erkennen, dass wir uns keine Vorstellung vom Gesamtaufwand für ein solch ambitiöses Prohjekt gemacht und uns schlicht übernommen hatten. Das war schmerzhaft, weil viel Zeit reingeflossen ist.“

Dabei habe er gelernt, Ziele zu verfolgen. „Ich habe mir immer wieder kleine und grosse Ziele gesetzt, Meilensteine, die ich erreichen wollte. Das hilft.“ Mit Erfolgen, Fehlschlägen und Herausforderungen kommt die Erfahrung.

Von der – und vom Kapital, das ihm die erste Firma beschert hat – kann Dominik jetzt profitieren. „Ich weiss inzwischen, wie viele sehr verschiedene Faktoren und Fähigkeiten es braucht, um nicht nur ein Produkt zu schaffen, sondern es auch auf den Markt zu bringen. Ich habe alles schon einmal erlebt, wenn auch im kleineren Massstab. Nur wenig ist völlig neu oder total überraschend.

Ich dagegen bin seit knapp drei Jahren in einem Startup – Blogwerk AG – involviert. Und noch immer fühle ich mich bisweilen von der schieren Bandbreite an gleichzeitig auftretenden, grossen und kleinen Herausforderungen beinahe überwältigt. Diese Erfahrung habe ich so nie gemacht: In einem etablierten Jobumfeld lassen sich die Probleme kanalisieren, weiterreichen oder nach einem eindeutigen Schema priorisieren . In einem Startup gibt es diese Trampelpfade nicht. Den Russisch-Vokabeltrainer überliess ich seinem Schicksal, sobald ich die Zahl der nötigen weiteren Schritte nicht mehr überblicken zu können glaubte.

Inzwischen habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, die Gründer, die ich kennen lerne, nach ihrer Jugendzeit und den Freizeitprojekten zu befragen. Das gefühlte, vollkommen unwissenschaftliche Ergebnis: Eine Lust an der Problemlösung und der Durchhaltewillen angesichts unerwarteter Hindernisse ist als Charakterzug vorhanden. Idealerweise wird dieser Schöpfergeist vom Umfeld gefördert – so, wie ein sportliches oder musisches Talent von vielen Eltern und Ausbildnern erkannt und gefördert wird.

Und eins habe ich in fünf Jahren als Beobachter im Silicon Valley gelernt: Die Wertschätzung dieses „Unternehmertalents“ ist eine Mentalitätsfrage und unterscheidet sich von Kultur zu Kultur ganz erheblich.

Vielleicht wäre es spannend, hier von Gründern etwas über ihre Jugendhobbys zu erfahren.