Wie wird aus einem Startup eine erfolgreiche Firma? Das ist wohl die zentralste aller Jungunternehmenfragen. Aber was ist das Essentielle? Worauf muss man sich wirklich konzentrieren?

Wenn die Kunden vor dem Laden campieren, hat man etwas richtig gemacht (key)Es gibt Dutzende von Büchern und noch mehr Blogartikel zu dieser Schlüsselfrage. Nur hin und wieder traut sich mal jemand, die ganze Komplexität auf einfache Regeln herunterzubrechen.

Ein erfrischend geradliniges Beispiel ist etwa dieser Blogpost von RescueTime-Gründer Tony Wright . Wright stellte fest, dass es sehr unterschiedliche Wege zum Ziel gibt, dass aber alle erfolgreichen Firmen zwei Dinge beherzigen:

1. Biete etwas an, was die Leute wollen.
2. Hör nie auf, mach weiter, sei hartnäckig.

Nun, da kann man kaum widersprechen. Aber diese beiden „Rezepte“ erscheinen so allgemein, dass sie fast schon nutzlos banal sind.

Oder etwa doch nicht? Wie immer steckt der Teufel im Detail, oder genauer gesagt, in der Umsetzung.

Gerade die erste Regel klingt einfach:

Finde heraus, was die Kunden wollen, und dann verkauf ihnen das. Das ist zunächst mal guter Rat, denn immer noch gibt es zu viele Startups (v.a. technologiegetriebene) die an irgendwas rumbasteln, was zwar technisch interessant ist, aber leider zu wenige Kunden interessiert. Eine starke Marktorientierung von Beginn weg ist allemal vorteilhaft und steigert die Erfolgschancen massiv. Klingt simpel, hat aber seine Tücken.

Wie finde ich überhaupt heraus, was Kunden wollen? Das ist, kurz gesagt, die Kernfrage guten Marketings. Und die Tatsache, dass für Marktforschung jedes Jahr Milliarden ausgegeben wird, sagt alleine schon, dass es darauf keine einfache Antwort gibt.

Gerade aus Startup-Perspektive gibt es zwei Probleme: Erstens ist Marktforschung teuer, aufwendig, langsam und ungenau. Die wenigsten Startups haben das nötige Kleingeld, um erstmal ausführliche Marktstudien durchzuführen.

Zweitens: Die Kunden wissen sehr oft gar nicht, was sie wollen, besonders nicht bei wirklich neuartigen Produkten. Das meine ich nicht despektierlich, sondern das ist einfach eine Tatsache, die sich in jedem Innovationsprozess beobachten lässt. Wenn man die Leute 1999 danach gefragt hätte, was für ein mobiles Musikabspielgerät sie sich wünschen, hätten wohl die meisten nicht gesagt „Es muss Platz für mindestens 1000 Songs haben, klein und weiss sein, sich über ein Drehrad steuern lassen, und es muss sich mit einem massgeschneiderten Online-Shop für Musikdownloads verbinden lassen“. All diese erfolgreichen Merkmale des iPod waren Dinge, die sich die meisten Konsumenten schlicht nicht vorstellen konnten. Dito bei Google: Die meisten Leute anno 1998 wollten eigentlich mehr Funktionalität von ihrer Suchmaschine, waren dann aber überrascht, als Googles minimalistischer Ansatz viel bessere Resultate brachte und angenehmer zu bedienen war.

Mit anderen Worten: Selbst wenn man das Geld hat, um Kunden nach ihren Wünschen zu befragen, wird man von ihnen in den meisten Fällen nicht viel erfahren, was einen wirklich weiterbringt. Im Gegenteil: Nicht selten führt Marktforschung sogar explizit auf die falsche Fährte, wie die zahlreichen gescheiterten Produkteinführungen grosser Firmen beweisen.

Was kann man nun also als Startup tun, um trotzdem halbwegs effizient zu einem Produkt zu gelangen, das einem die Leute abkaufen? Ich glaube, es gibt ein paar Methoden, die in den meisten Fällen gut funktionieren.

1. Mit vielen Leuten reden, und zwar mit den richtigen.

Brüten im stillen Kämmerlein führt nur sehr selten zu erfolgreichen Produkten. Es ist für ein Startup wichtig, viel Feedback von aussen zu kriegen. Die Web-2.0-Maxime „release early and often“ ist darum sicher grundsätzlich richtig.

Nur: Man muss darauf achten, dass man sein Feedback von ausreichend vielen und vor allem von den richtigen Leuten kriegt. Sonst tappt man leicht in die Falle, zu früh auf eine nebensächliche Zielgruppe zu fokussieren, deren Bedürfnisse nicht denen des Mainstreams entsprechen. Das ist vor allem im B2B-Bereich gefährlich, wo die Zahl der potentiellen Kunden viel geringer ist als bei konsumentenorientierten Märkten. Wenn man da zu sehr nur auf seine ersten Kunden hört, ist man irgendwann der beste Anbieter von Branchenlösungen für, sagen wir mal, Hersteller linksdrehender Zwirbelschrauben. Davon gibt es aber leider nicht sehr viele.

2. Erst Ideen am Markt antesten, dann erst entwickeln.

Von der amerikanischen Softwarebranche kann man vielleicht nicht unbedingt lernen, wie man komplett fehlerfreie Programme herstellt, aber garantiert, wie man kundenorientiert Produkte entwickelt. Es ist in den USA fast schon gang und gäbe, erstmal eine neue Idee an der Verkaufsfront anzutesten, bevor überhaupt eine Zeile Code geschrieben ist. Dabei geht es nicht um repräsentative Marktforschung, sondern darum, schnell und pragmatisch ein paar Feedbacks von potentiellen Kunden einzuholen. Und das funktioniert am wirkungsvollsten, indem man ihnen anhand eines Prototypen zeigt, wie das fertige Produkt aussehen wird.

Wenn daraufhin echte Kunden Interesse und Zahlungsbereitschaft signalisieren, kann man mit der Entwicklung des eigentlichen Produktes dann mit vollem Tempo anfangen. Natürlich kommt die schnell realisierte Version 1.0 dann nicht unbedingt perfekt raus, aber das ist immer noch besser, als auf einer überkomplizierten Lösung sitzenzubleiben, die keiner will.

3. Flexibilität optimieren.

Es gibt Branchen, in denen man sein Produkt sehr schnell verändern kann, aber in den meisten Fällen sind Änderungen mit hohen Kosten verbunden. Da man am Anfang nie weiss, ob man mit seinem spezifischen Produkt erfolgreich sein wird, sollte man daher immer die Flexibilität seines Produktes optimieren und Änderungskosten niedrig halten. Für Softwareentwicklung heisst das zum Beispiel, dass man nicht unbedingt mit der kugelsicheren Enterprise-Java-Infrastruktur anfangen sollte. Vielleicht tut es für eine erste Version auch eine Skriptsprache, mit der man viel schneller was geändert hat.

Das gleiche gilt auf für Marketingstrategien. Man sollte beispielsweise vermeiden, zu früh langfristige Partnerschaften einzugehen, die die weitere strategische Entwicklung hindern können.

4. Die Preiskurve richtig reiten.

Businessmodelle sollte man in der richtigen Reihenfolge ausprobieren. Wer die erste Version seines Produktes billig oder gar gratis anbietet, wird Probleme haben, später mehr Geld zu verlangen. Gegen spätere Preissenkungen haben Kunden hingegen nie etwas.

Der Trick bei neuen Produkten ist immer, diejenige Kundengruppe zu finden, die die höchste Zahlungsbereitschaft dafür hat. Wenn einem das nicht gelingt, stimmt vermutlich mit dem Produkt etwas nicht. In diesem Fall sollte man nicht einfach Preise senken, bis endlich jemand zugreift, sondern lieber das Produkt verbessern.

5. Schnell skalieren

Wenn mal erst einmal auf Gold gestossen ist in einem neuen Markt, d.h. einen Produkt- und Marketingmix gefunden hat, der substantielle Nachfrage generiert, dann geht es vor allem um eins: Das ganze sehr schnell hochzufahren, bevor man von der Konkurrenz überholt wird, denn die wird die Markterfolge mitkriegen und kopieren.

Für Startups in kleinen Ländern wie der Schweiz heisst das fast zwangsläufig, dass man internationale Märkte erobern muss. In diesem Moment ist spätestens auch der Moment gekommen, wo man kaum noch aus eigenen Mitteln das Wachstum ausreichend finanzieren kann. Aber die gute Nachricht ist, dass man oft sehr viel einfacher Kapitalgeber für eine Expansion findet, wenn sich die ersten Erfolge eingestellt haben. Viele Startups verschlafen aber leider diese entscheidende Phase und enden nach ihren ersten Siegen im Markt in der Irrelevanz, weil sie die Skalierung nicht schaffen.

6. An seine Idee glauben, aber sehr beweglich bleiben.

Das zweite Rezept oben in diesem Artikel besagt, dass man immer hartnäckig dranbleiben muss bei der Umsetzung seiner Ideen. Das ist auch richtig, aber nicht so gemeint, dass man gegen alle Feedbacks vom Markt seine ursprüngliche Vorstellung durchsetzen soll.

Die besten Unternehmen bleiben auch nach der Produkteinführung stets sehr flexibel, und da kann man auch viel von den Meistern des Fachs lernen. Ein gutes Beispiel: Im Januar 2007 sagte Steve Jobs der Presse noch voller Überzeugung, dass es für das iPhone keine Software von Drittherstellern geben werde, weil das unnötig und gefährlich sei. Doch schon 18 Monate später stellte Apple mit viel Getöse den App Store für das iPhone vor, der nun plötzlich die Entwicklung von iPhone-Anwendungen ermöglichte und zu einem spektakulären Erfolg wurde. Offenbar hat Apple den Kunden zugehört, und der eigentlich als stur und kompromisslos verschrieene Steve Jobs hat seine Meinung schnell mal geändert. „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“ ist oft ein gutes Rezept für die Festlegung von Strategien, wenn man vom Markt neue Signale kriegt.