Eine smarte Wachstumsstrategie und eine solide Plattformarchitektur machen Webdoc zu einem Webservice mit Potential.

«Webdoc zielt auf eine Lücke, die noch niemand anders besetzt», meint Mitgründer Mathieu Fivaz zur Positionierung des Lausanner Startups.

Er verortet sein Unternehmen irgendwo zwischen Twitter und Tumblr.

Webdoc bietet die Möglichkeit, rich-media-gestützte Inhalte zu kreieren, für die man bislang HTML-Kenntnisse gebraucht hätte, so der Claim. Die «Webdocs» stellt man sich am besten als Collagen verschiedener Medien vor: Videos, Bilder, Text, Sounds und so weiter. Verwenden können Nutzer Inhalte zahlreicher integrierter Dienste – Twitter, Soundcloud, Youtube, Instagram und andere. Ausserdem lässt sich eine Reihe vorgefertigter Widgets nutzen, Clipart und Malwerkzeuge stehen ebenfalls zur Verfügung. Das per drag-and-drop erstellte Webdoc können die User innerhalb der Plattform veröffentlichen (Webdoc bietet ein Followersystem), über andere Dienste teilen oder per embed-Code beliebig auf dem Web unterbringen.

Ein Video erklärt den Usecase:

Die Webdoc-Plattform stellt integral auf HTML5 ab und macht technisch einen runden und ausgereiften Eindruck. Die Gestaltungsmöglichkeiten für Inhalte sind vielfältig und das Interface ist nutzerfreundlich und einfach zu bedienen. Das «beta» im Header ist dem Webservice nicht wirklich anzumerken.

Das Kernteam besteht aus Mathieu Fivaz und den Brüdern Alexandre und Stelio Tzonis, die ihr gemeinsames Startup Lysis 2001 an die Kudelski-Gruppe verkaufen konnten, aus Cyril Pavillard (Mitgründer des Onlinemagazins MacGeneration) und Vincent Borel, dem Sohn von Logitech-Mitgründer Daniel Borel, der auch gleich bei Webdoc investiert ist. Das Startup umfasst mittlerweile über 15 Köpfe, die sich auf Entwicklung, Design und Marketing verteilen.

2009 gegründet, ist Webdoc seit März 2011 betamässig online. Den offiziellen Launch hatte das Startup im vergangenen Dezember. Bei den Userzahlen schweigt sich Mathieu aus, er zeigt mir aber einzelne Webdocs, die 10’000 Views generiert haben. Dass hierzulande noch nicht viel zu von Webdoc zu hören oder zu sehen ist, liegt daran, dass laut Mathieu der Grossteil der Nutzer bisher aus Brasilien und den USA stammt.

Die Monetarisierung hat Webdoc bisher noch zurückgestellt. Der Dienst ist komplett kostenlos und soll es auch bleiben. Momentan ist Webdoc auch werbefrei, aber Werbeeinblendungen sollen dereinst Erträge generieren. Wie genau diese auf der Seite präsent sein werden, ist von den Gründern noch nicht zu erfahren.

Wachstum durch Kooperationen

Die Gründer haben von Beginn an stark auf Kooperationen gesetzt. Zum einen stützt sich Webdoc wie erwähnt auf eine Einbindung möglichst vieler anderer Dienste und Anbieter. Zum anderen ist eine gezielte Suche nach zugkräftigen Nutzern Webdocs Strategie, um das bekannte Huhn/Ei-Problem bei sozialen Diensten zu knacken. So hat jede Plattform mit user generated content zu Beginn das Problem, dass die Inhalte fehlen, die Nutzer anlocken und ebenso die Nutzer, die selbige bereitstellen. Das Problem gingen die Gründer so an, dass Sie zielgerichtet um prominente Nutzer warben. Erste Station dafür: die Musikindustrie. Musikstücke werden am besten innerhalb eines Kontexts geteilt. Darum ist der Case für Webdoc attraktiv, das sich ja auf die Anreicherung von Inhalten spezialisiert. Kooperationen mit Labels wie EMI und Universal haben auch bereits publikumswirksame Promis an Bord gebracht, unter anderem Britney Spears und Jamiroquai (oder zumindest ihre Social Media Manager).

Der Fokus liegt also zurzeit auf den Fans-Communities von Musikern, soll nach den Plänen der Gründer aber bald ausgeweitet werden. So hofft Webdoc, künftig auch die «Style-Crowd», die momentan bei pinterest ein Zuhause gefunden hat, vermehrt anzusprechen.

Plattform, aber richtig

Ein amerikanischer serial entrepreneur und Startup-Blogger schrieb kürzlich, auf Pitches mit dem Begriff «Plattform» reagiere er allergisch. Wer für sein erstes Startup eine Plattformidee habe, solle sich lieber nach etwas Einfacherem umsehen. Das ist natürlich ein Pauschalurteil, es hat aber einen wahren Kern. Zwei Gründe:

  1. «Wir bauen eine Plattform» ist häufig nur ein Ausflucht, was den Usecase angeht. Statt zu sagen, welches konkrete Problem wie gelöst wird, basieren Plattform-Ideen nicht selten auf einem ganzen Strauss von unausgereiften Ideen. Der Begriff «Plattform» ist dann blosses Symptom für mangelnden Fokus.
  2. Echte Plattformen sind schwer zu bauen. Sie brauchen sowohl kritische Masse bei den Nutzern als auch win-win-Möglichkeiten für Kooperationspartner, die aus der Plattform Nutzen ziehen und gleichzeitig solchen bereitstellen. Hinzu kommen die technischen Herausforderungen der Integration.

Wie ist Webdoc als Plattform aufgestellt? Die Gründer machen aus meiner Sicht alles richtig. Die Anbindung und Integration mit anderen Services funktioniert in beide Richtungen und ist technisch überzeugend gelöst. Der Usecase «mit Webdoc kannst Du reichhaltige, interaktive Inhalte basteln» ist klar und besetzt ein Nische, die andere Anbieter nicht abdecken. Verschiedene Curation-Werkzeuge (zum Beispiel storify) gehen in eine ähnliche Richtung, sind aber nicht so featuremächtig und positionieren sich näher an der Blog-Sphäre.

Neben Daniel Borel hat das Startup eine Reihe privater Investoren, darunter Thierry Mauvernay. Zurzeit sind die Gründer dabei, eine weitere Finanzierungsrunde zu suchen. Ausserdem soll das Team wachsen: Webdoc sucht weitere Designer und Entwickler.