Gerade in der letzten Zeit ist die Diskussion um Geheimhaltung für Startups wieder hochgekocht. Eine Übersicht.

Unter dem Radar

Die Konkurrenz überrumpeln, Angst davor kopiert zu werden, noch zu viele Unbekannte in der Gleichung: Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, sich als Startup erst einmal bedeckt zu halten. In der letzten Zeit haben sich aber gegen diese Strategie kritische Stimmen gefunden. Dharmesh Shah von Onstartups ist zum Beispiel der Meinung, dass Geheimhaltung vielen Unternehmenen nur als Ausflucht dient, nämlich dann wenn sie sich ihrer Sache nicht wirklich sicher seien. Dann wenn die Gründer zu wenig an die eigene Idee glaubten, diese noch extrem unscharf sei, oder sie noch innerlich an ihren Day-Jobs anderswo kleben würden. Die Gefahr, sich dabei wegen des fehlendes Realitätchecks zu verrennen, ist dabei letztlich das Hauptargument gegen Stealth Mode.

Vivek Wadhwa findet auf Techcrunch ganz ähnlich, Stealth mode sei überschätzt und führe nur Problemen – namentlich die Nachfrage nach dem eigenen Produkt zu über- und die Konkurrenz zu unterschätzen. Gleichzeitig fehle ihnen die Möglichkeit, ihr Produkt anhand des Feedbacks einer breiten Nutzerbasis weiter zu entwickeln. Man ist stattdessen auf oft nicht repräsentative Rückmeldungen aus dem engsten Umkreis angewiesen.

Dass diese Voten in den USA so ausfallen, verwundert kaum, da ja dort auch der Abschluss von NDAs eher zur Ausnahme gehört. Konsequenterweise verlangt man dort im grösseren Rahmen also dasselbe – nämlich offen zu kommunizieren und seine Hypothesen möglichst schnell an der Wirklichkeit zu testen. Trotz dieser offenen Kultur gibt es auch andere Stimmen: Das Trada-Blog sieht vor allem die Vorteile des Arbeitens ohne unter Beobachtung zu stehen und die negativen Seiten der Sichtbarkeit. Eine Mittelposition hingegen vertritt auf Readwrite Web Chris Cameron mit der Ansicht, dass schlichtes Sparen bei der Kommunikation nach Aussen die Vorteil des Stealth Modes mit sich bringt, aber ohne die Kosten. Er nennt die Strategie Flying under the Radar.
Grob vereinfacht teilen sich die Lager die folgenden Meinungen:

Kontra Geheimhaltung

  • Recruiting ist schwieriger
  • Fehlendes Feedback und Inputs von Kunden
  • Rat und Coaching sind schwieriger bekommen
  • Die Chance besteht, einen Konkurrenten zu übersehen
  • Es fehlt die Übung in der Kommunkation der Idee
  • Kontakte sind schwieriger, wenn man sich immer zugeknöpft geben muss

Pro Geheimhaltung

  • Mehr Konzentration auf die Entwicklung
  • Weder Kosten noch Aufwand für Kommunikation und Auftritt nach Aussen
  • Kurskorrekturen sind einfacher
  • Auftritt nach Aussen erst wenn man die nötigen Argumente hat
  • Kein Aufbau einer Service-Infrastruktur vor dem „richtigen“ Launch
  • Geheimnisse (ungeschützte IP) bleiben eher solche

Je nach Branche ist das nötige Mass an Öffentlichkeit natürlich ein anderes. Wer im B2C-Geschäft ist und beispielsweise für Hardwarehersteller entwickelt, wird auf Buzz im Netz getrost verzichten können, genauso wie Unternehmen deren Markt und Value Proposition von Anfang an klar und wasserdicht sind und nur noch umgesetzt werden müssen.

Die entscheidende Frage ist, wie gross sind Aufwand und Ertrag bei einem frühen Start an die Öffentlichkeit? Und basierend auf dem eigenen Geschäftsmodell geht es darum, was eher zu einem komparativen Vorteil führt: Schnelles Aufbauen einer Kundenbasis mit einem minimal-brauchbaren Produkt und dieses anhand Feedback weiterentwickeln oder darauf zu setzen, mit einem schon ausgereifteren Produkt den Markt und die Konkurrenz zu überraschen.