Sechs Web-Startups sind kürzlich bei den SBB eingezogen. Wie steht es um das Coworking-Experiment?

sbb_fliAnfang Jahr hatten die SBB zu einem Pitchevent geladen (wir berichteten), den Gewinnern winkte eine Kooperation mit dem Unternehmen. Die neue Abteilung SBB Digital wählte zunächst elf Startups aus 45 Bewerbern aus. Sechs davon machten das Rennen und ziehen zurzeit in neu eingerichtete Büroräume an der Zürcher Sihlpost: Shortcut, park it, Bringbee, MilliPay, Thingle und ein weiteres Startup, das nicht genannt werden möchte.

Die SBB scheinen es ernst zu meinen: Das neue Ziel des Bahnunternehmens, sich mit Jungunternehmern Innovation ins Haus zu holen, wird in die Tat umgesetzt. Als Teil davon sind die SBB dabei, mit Exponenten der Startupszene ins Gespräch zu kommen. Ihren Coworking Space möchten sie zu diesem Zweck für passende Events bereitstellen. So will das Unternehmen Präsenz markieren und weitere Startups für Kooperationen finden.

Druck für neue Ideen

Gerade erst hatten die SBB rückläufige Passagierzahlen gemeldet. Steigt damit der Bedarf, das Unternehmen mit Startup-Hilfe für die Zukunft fit zu machen? Manuel Gerres von SBB Digital meint, es werde sicher Aufmerksamkeit für das Innovationsvorhaben schaffen. «Es ist förderlich für neue Entwicklungen, wenn Druck von aussen da ist.» 

Ein Hausbesuch offenbart attraktive Räumlichkeiten. Der Coworking Space umfasst Einzelbüros, Konferenzzimmer und einen gemeinsamen Bereich mit Sofas und Platz für Präsentationen. Noch streikt der Drucker, wie Manuel Gerres zugibt, aber sonst ist die Einrichtung auf Kurs. Wenn auch noch nicht ganz abgeschlossen: In den meisten Startup-Büros ist bisher nur das nötigste Mobiliar zu finden. Auf den ersten Blick wirken auch Herbert Bay von Shortcut Media und sein Schreibtisch etwas verloren im Raum. Die minimalistische Ausstattung sei aber Programm, sagt Bay: «Wir fokussieren auf das Wesentliche, nicht prunkvolle Offices. Alles was ich brauche ist ein Laptop.»

Willkommen im Konzern

Zurzeit sind die Gründer dabei, ihre Ansprechpersonen bei den SBB kennenzulernen. Fürs Vernetzen sind Gerres und seine Kollegen zuständig. Sie haben die Aufgabe, die Startups mit den passenden Abteilungen der SBB zu verschalten, erst dann können gemeinsame Projekte losgetreten werden. Den Leuten von SBB-Digital fällt dabei die Rolle zu, zwischen den Welten zu vermitteln. Auf der einen Seite müssen sie interne Skepsis gegenüber dem Experiment abbauen, auf der anderen Seite die Jungunternehmen für die Verhandlungen fit machen. Das bedeutet auch ein Umdenken für die Gründer; zum Beispiel, sich sprachlich und konzeptuell mit der Konzernkultur vertraut zu machen. Webjargon und Buzzwords seien beim Vorstellen einer Idee zum Beispiel nicht gefragt, so Manuel Gerres. Pragmatisch und «hands-on» schon eher.

Damit die Startup-Mentalität SBB-intern eine Chance hat, setzt man zunächst einmal auf kleine Dosen an Innovation. Der Plan: Pilotprojekte, jedes der Startups entwirft einen «Testcase». Damit sollen die Ideen in freier Wildbahn ausprobiert werden und für mögliche Produkte ein Proof-of-Concept entstehen.

Edit: Ein Startup wollte seine Technologie nicht erwähnt haben. Das entsprechende Beispiel haben wir auf Wunsch der Gründer entfernt.

Manuel Gerres rechnet damit, dass nicht alle Pilotprojekte gelingen und wäre mit der Hälfte zufrieden: «Das wäre bereits ein grosser Erfolg», so Gerres. Neben den jetzigen Projekten wollen die SBB auch längerfristig mögliche Startup-Partner finden. Ein konkretes Vorhaben ist eine Datenbank, in die sich interessierte Jungunternehmen eintragen können.

(Bild: akarakoc auf flickr.com, CC BY ND)