Der Niederländer Bas van Abel hat Fairphone nicht gegründet, um ein Unternehmen aufzubauen, sondern um unsere Realitäte zu verändern. Van Abel sprach an einer Tagung zur Problematik der Konflikt-Rohstoffe in Bern.

abel„Was man nicht öffnen kann, das besitzt man nicht.“ Der Satz ist ein Lieblingszitat des Niederländers Bas Van Abel. Und er dient dem CEO und Gründer von Fairphone als Einstiegsanekdote in die Geschichte seines Unternehmens: Als der Nintendo DS seines Sohnes kurz vor Abreise in die Ferien kaputt ging, versprach Van Abel, das Gerät zu flicken. Nur um dann festzustellen, dass es sich nicht öffnen liess – weil es eine spezifische Art von Schrauben aufweist, für die man eine besondere Art von Schraubenzieher braucht. Abel fragte sich, was Nintendo dazu veranlassen würde, ein Gerät nicht aufmachbar zu machen: Hatten die was zu verstecken?

Und er fragte sich, wie viele andere Geräte es noch gibt, die wir zwar kaufen, aber nicht öffnen können. „Hinter den Deckeln unserer Smartphones versteckt sich eine äusserst komplexe Wirtschaft. Eine, die inzwischen für den Konsumenten vollkommen undurchschaubar geworden ist“.

Van Abel machte sich auf, mit dem Fairphone ein Gerät zu entwickeln und zu produzieren, das einerseits aus fair gewonnenen Rohstoffen und mit Arbeitsleistungen zu fairen Bedingungen hergestellt wird und das zum anderen in diesen Prozessen vollständig transparent bleibt – oder überhaupt erst wird. Mit vier anderen Leuten fing Van Abel an, das scheinbar unmögliche Unternehmen zu planen. „Und es gesellten sich immer mehr Leute zu uns, denn offenbar ist es reizvoll, das Unmögliche zu versuchen“, schildert van Abel.

Er sprach an einer Tagung von Fastenopfer / Brot für alle in Bern, die dem Thema Konflikt-Roshstoffe (englisch: conflict minerals) gewidmet war und sich vor allem damit befasste, was wir als Konsumenten dazu beitragen können, dass der Abbau von Bodenschätzen in Krisengebieten wie im Ostkongo nicht in die brutale Hand von Kriegsparteien gerät, die Arbeiter in den Minen ausgebeuetet und die Rohstoffe zur Finanzierung des Konflikts herangezogen werden.

Keine faire Mine

Im Zuge der Recherchen und Reisen in den Kongo fand Van Abel heraus, dass es keine faire Mine gibt. Und in China stellte er fest, dass es keine faire Fabrik gibt. Zugleich entdeckten er und seine Mitkämpfer die verschiedenen Programme und Bemühungen, die es bereits gibt, um die Bedingungen in diesen Gebieten zu verbessern, und sie machten sich daran, diese Dinge zu bündeln und in ihrem gerät zusammenzufassen.

Schliesslich stellte sich die nächste Frage: Wie man ein solches Unterfangen finanziert. Und nachdem bereits eine grössere Öffentlichkeit auf die Initiative aufmerksam geworden war und viele Menschen anfragten, ob sie das Telefon kaufen könnten, „sagten wir mal: Nun, wenn wir 5000 Stück verkaufen können, dann produzieren wir es. Binnen drei Wochen hatten wir 10’000 Stück verkauft.“

Damit war das Crowd-gefundete Projekt definitiv unterwegs, und Van Abel beschreibt es als „wirklich furchteinflössend: 10’000 Leute hatten ein Smartphone gekauft, das sie noch nicht einmal gesehen hatten und von dem wir nicht wussten, wie es aussehen wird.“

Inzwischen liegt ein Prototyp des durchaus schmucken Telefons vor; Van Abel ist weltbekannt (namentlich in den Kreisen von Elektronik-Herstellern) und die grossen Konzerne sind auf sein Projekt aufmerksam geworden. „Jawohl, wir treffen uns mit den Leuten von Apple, Samsung und HTC an Konferenzen und reden auch mit Ihnen“, sagte er auf eine entsprechende Frage aus dem Publikum, „tatsächlich mögen wir sie und sie mögen uns.“

Bei den grossen sei man angesichts der 10’000 vorverkauften Smartphones auch interessiert an Fairphone. Überhaupt seien die durchaus an verbesserten Bedingungen bei der Herstellung ihrer Produkte interessiert und zum Teil auch auf diesen Pfaden unterwegs: Die Kunststoffteile des Fairphones etwa bestünden aus recycliertem PET aus den Kunststofffabriken von Samsung.

Van Abel machte keinen Hehl daraus, dass er weder glaubt, dass sein Telefon die Welt rettet, noch, dass es bis auf die letzte Mikroschraube seinen eigenen hohen Ansprüchen genügen kann, dazu seien die Gestehungsketten einfach zu komplex.

„Was wir tun können, ist die Industrie so herauszufordern, dass sie sich insgesamt ändert, und damit ändert sich auch unsere Realität. Wir tun dies am besten, indem wir ganz real etwas produzieren“, grinste Van Abel ins Publikum.

Gleich darauf bemerkte er auf eine Frage nach den nächsten Produkten, die seine Initiative lancieren werde, dass er noch nicht einmal sicher sei, dass das überhaupt geschehen werde. Meine Frage, ob er sich als Unternehmer oder als Aktivist sehe, beantwortete er zwar mit einem „als beides“. Aber in allen weiteren Bemerkungen stellte er Fairphone eher als Hebel dar, um einen Missstand in der Welt richtig zustellen, denn als Produktionsbetrieb für ein Smartphone. Es sei auch keineswegs zu garantieren, dass das Fairphone, wenn die Herstellungswege einmal festgelegt seien, immer ein faires Produkt bliebe – denn „unsere Definition von Fairness selber ist dynamisch, also ändern sich auch diese Standards“.