Welche versteckten und bekannten Geheimnisse gilt es bei der Gründung eines skalierbaren Startups zu beachten? Dorian Selz von Nektoon und local.ch gibt in dieser Serie Einblicke.

Von Dorian Selz, Nektoon

Nach einem aufregenden Tag in Venice Beach waren wir auf dem Heimweg in unser Billig-Motel in Downtown Los Angeles. Wir ahnten nicht, welche Aufregung noch auf uns wartete.

Es war im Sommer 1988 während der Schulferien: Zusammen mit meinem besten Freund Daniel reiste ich fünf Wochen lang durch die USA – mit einem Greyhound-Ameripass. Eine epische Reise von Küste zu Küste. Als Zahlungsmittel hatte ich Traveller Cheques dabei, Daniel hatte Cheques eines andern Anbieters.

Startup-Erfahrungen ist eine Beitrags-Serie der Mitarbeiter von Nektoon, die in deren Blog auf Englisch publiziert wird – startwerk.ch bringt ausgewählte Folgen auf Deutsch.
Im Hotel machten wir eine unangenehme Entdeckung. Der Zimmersafe war aufgebrochen. Die Traveller Cheques waren weg.

Der Einbruch war ein Schock. Klar, wir waren nicht grade in einem Fünf-Sterne-Hotel, aber es war immer noch die wohl teuerste Unterkunft der ganzen Reise. Es war Samstag Abend, Bargeld hatten wir kaum: Wir waren pleite und ziemlich verängstigt.

In der Aufregung rief ich American Express an, um die Cheques zu blockieren. Nach ein paar Minuten hatte ich einen freundlichen Mitarbeiter am Draht und erklärte mein Anliegen in bestem Schulenglisch. Sofort wurde ich mit einem deutschsprachigen Mitarbeiter verbunden, was den Vorgang erheblich erleichterte. Ich schilderte, was sich ereignet hatte, und keine zehn (!) Minuten später war der Fall erledigt: Amex offerierte Ersatzcheques, die ich in einer Amex-Filiale meiner Wahl abholen konnte (als wir einen Tag später – einem Sonntag – in Las Vegas ankamen, hatte der Kundendienstmitarbeiter dort alles bereit) – und Amex schickte uns noch an diesem Samstagabend per Kurier 200 Dollar in Cash zur Überbrückung.

Auch heute noch bin ich positiv beeindruckt von ihrer Dienstleistung. Wir waren zwei arme Mittelschüler und bestimmt keine High-Profile-Kunden. Aber Amex setzte sich für uns ein, inklusive Service in unserer Muttersprache und Botengang.

Welche Diskrepanz zum Anbieter von Daniels Cheques: Wir mussten zwei Stunden auf einer Polizeistation in LA auf einen Rapport warten, den der Chequeausteller verlangt hatte. Immerhin begleiteten uns die Polizisten ins Hotel zurück, weil sie den Weg für uns zwei zu Fuss als unsicher ansahen. Danach rannten wir den Ersatzcheques zwei Wochen lang nach.

Keine Frage, für welche Kreditkarte ich mich entschied, als ich mir schliesslich eine leisten konnte. Ich bin seither Mitglied, nur aufgrund dieser einzigen Erfahrung und der Annahme, dass Amex mir helfen wird, wenn irgendwas passiert. Für Amex hat sich das Investment in die beiden jungen Touristen von 1988 inzwischen vielfach bezahlt gemacht. (Dabei könnte sich der Kundendienst inzwischen verschlechtert haben.

Erste Beobachtung: Behandle den Kunden wie einen König, und er wird es Dir mit gleicher Münze zurückzahlen.

Ich weiss, der Spruch vom König Kunden ist abgenutzt. Aber wie oft hat Sie in jüngster zeit eine Firma versetzt, der Sie immer vertraut hatten?

In unserem letzten Startup versuchten wir, diesen Grundsätzen nachzuleben. Wir hatten eine einfache Regel: Der Kunde kommt zuerst. Zum Beispiel: Auf jeder einzelnen Webseite konnten die Kunden bei uns Feedback hinterlassen. Und wir kriegten Rückmeldungen ohne Ende. Lustige, lausige, gute Vorschläge, verdiente kritik und noch mehr verdientes Lob.

Kerstin und ich haben endlose Stunden damit verbracht, die Kundenmeldungen zu beantworten. Wir haben viel gewonnen damit: So liessen sich damit die Probleme einer grossen Zahl von Nutzern aus der Welt schaffen. Beispiel: 2008 kriegten wir eine erboste E-Mail des Bürgermeisters von Charrat im Kanton Wallis. Dort waren ein paar Wochen zuvor Teile der Strassen umbenannt worden, und unsere Karten waren noch nicht auf dem neusten Stand. Nach einer längeren Unterhaltung mit dem Bürgermeister hatte sich dessen Ärger in Befriedigung gewandelt. Wir konnten ihm erklären, was die aktuelle Situation war, und wie wir sie zu ändern gedachten.

Zweite Beobachtung: Jede (negative) Rückmeldung ist eine Gelegenheit.

Es ist ein schmaler Grat, auf Feedback zu hören und die Dienstleistungen anzupassen und die Rückmeldungen zu ignorieren und den Service gleich zu lassen.

Dabei meldet sich meistens ein extrem kleiner Prozentsatz der Kunden, die sprechende Minderheit, die der schweigenden mehrheit gegenüber steht. Deswegen haben wir vor jeder Anpassung versucht festzustellen, wie sich die Änderungen alle unsere Nutzer betreffen würden. Wir haben uns grosse Mühe gegeben, das Feedback in Kategorien mit klarer Bedeutung aufzuteilen, und wir haben die Änderungen häufig ausgiebig getestet. Das Kriterium für eine Anwendung: Änderungen müssen mindestens mindestens einer Anwendergruppe die Sache vereinfachen, ohne sie für irgendjemanden zu erschweren. Je besser Sie das umsetzen, desto näher kommen sie dem Pareto-Optimum.
[postlist „Startup-Bauanleitung“]