Jeder erinnert sich an die Kickboards und Micro Scooters, die vor einigen Jahren allgegenwärtig waren. Der grosse Ansturm ist vorüber, doch das Unternehmen gibt es noch. Und es wächst.

micro luggage - der neuste WurfManche Jungunternehmer wären mit diesem Ansturm nicht fertig geworden: Zwei Jahre nach dem ersten Prototyp machte Wim Ouboters junge Firma einen Umsatz von 100 Millionen. Und dann, fast von einem Tag auf den anderen, war es vorbei; der Markt war gesättigt.

Das lag nicht an den Micros, von welchen monatlich 80’000 Stück aus China verschifft wurden, sondern vor allem an den unzähligen Kopien von unzähligen Herstellern, die sich die Händler aus einem dicken Katalog bestellen konnten.

Cashflow

Was hat der Tüftler Ouboter richtig gemacht? „Natürlich hätte ich von der Bank kein Geld bekommen“, erzählt er in seinem Büro in Küsnacht ZH. Doch dank idealen Verhandlungen mit Zulieferern und Abnehmern finanzierte sich sein Geschäft wie von selbst: Während die Kunden von Micro Mobility Systems bereits zehn Tage nach Verlad der Ware zahlen mussten, hatte sich Ouboter mit seinem Produzenten auf eine Frist von dreissig Tagen geeinigt. Dank dieses Arrangements überstand das junge Unternehmen den Ansturm und hatte genügend Geld in den Kassen, um die anschliessende Flaute zu überstehen.
Dass das Produkt so schnell dermassen eingeschlagen hat, hat vermutlich alle überrascht. Ouboter strebte früh eine Kooperation mit einem Sportartikelhersteller an, um von dessen Händlernetz profitieren zu können. Dabei kam ihm eine der wichtigsten Eigenschaften jedes Gründers zugute: Hartnäckigkeit. Sein erster Kontakt bei K2 sah kein Potential im Kickboard. Nach der Sportmese ispo kam man doch noch ins Gespräch. Allerdings schoss der CEO von K2 in den USA die Idee ab, indem er sagte „not even a dead kid wants to be seen on a product like this“. Glücklicherweise war der Chef von K2 in Deutschland so begeistert, dass er das Produkt auf eigene Faust lancierte. Nachdem es zum Hit wurde, kam es dann auch in den USA auf den Markt.

Feedback und Unterstützung

Die Story hinter dem Produkt ist wichtig, sagt Wim Ouboter. Ohne die Idee der portablen Mobilität von der er „überzeugt aber nicht besessen“ ist, hätte das Micro niemals so eingeschlagen. Doch es reicht nicht, wenn der Erfinder von seiner Idee überzeugt ist. Nachdem er seinen ersten Prototypen tatsächlich vor allem für den Weg zu seiner liebsten Imbissbude gebaut hatte, lag dieser lange in der Garage – bis er unter den Nachbarskindern zum Renner wurde. Diese Beliebtheit bei den Kindern überzeugte auch Ouboters Frau davon, dass an der Sache etwas dran war. Ihre Unterstützung war sehr wichtig, wie er sagt. Niemand sollte ein Unternehmen gründen, ohne das zuvor mit dem Partner abgesprochen zu haben. Gerade in der Anfangsphase beansprucht ein Unternehmen sehr viel Zeit. Wenn man da den Ehepartner nicht einbezieht, kann es schnell passieren, dass sich dieser aussen vor fühlt. Auch wenn es im diesem Moment dann so erscheint, als brauchte man kein Privatleben, sollte man doch in die Zukunft planen. Wer in der arbeitsreichen Gründungszeit seine persönlichen Beziehungen vernachlässigt, dem wird es schwer fallen, später wieder ein Leben ausserhalb des Unternehmens zu leben.

Wiederaufbau

Nachdem der grosse Hype vorbei war, herrschte einige Monate lang Flaute. Wäre Ouboter nicht an seinem Konzept, sondern am Geld interessiert gewesen, hätte er sich in diesem Moment genauso gut mit einem Gewinn zurückziehen können. Doch die Idee der Mikromobilität liess ihn nicht los und so steckten er und sein Team weiter Energie in die Produktentwicklung, so dass heute über dreissig verschiedene Produkte im Katalog stehen.

Erfinder Ouboter und Geschäftsführer Bolliger

In der selben Phase gab Ouboter auch die operative Leitung des Unternehmens an Hans-Peter Bolliger ab. Diesen Schritt unternahm er unter anderem deshalb, weil er durch die Altlasten der Boomzeit nicht mehr zum Tagesgeschäft kam: Sein ehemaliger Produktionspartner aus China hatte ihn in einen Rechtsstreit verwickelt, der einen grossen Teil seiner Zeit beanspruchte.

Mit einem neuen Produktionspartner in Hong Kong und nunmehr ohne Altlasten wächst Micro Mobility Systems kräftig und hat heuer im Juli schon den Umsatz des Vorjahres erreicht. Dieses Wachstum wird durch immer neue Innovationen und Ideen generiert. So ist Micro – in Kooperation mit dem Partner in Hong Kong – in China führend bei Inlineskates und wird im Herbst in einer Kooperation mit Samsonite einen neuartigen Koffer auf den Markt bringen, der sich für den Weg durch den Flughafen in einen fahrbaren Untersatz verwandeln lässt. Ein weiterer Beweis für Ouboters Verhandlungsgeschick: Es ist das erste Mal überhaupt, dass Samsonite eine fremde Marke auf einem ihrer Koffer duldet.