Unser Rechtstipp widmet sich Startups und KMU als Arbeitgebern. Welche Bestimmungen müssen frischgebackene Unternehmer beachten und was für Fallstricke gibt es?

Gastbeitrag von Martin Steiger, Rechtsanwalt

Arbeitsrecht für Startups: Martin Steiger

Erfolgreiche Startups wachsen und brauchen früher oder später Mitarbeiter jenseits der Gründer. Knappe Finanzen und kurzfristige Planung verlangen dabei meistens eine grosse Flexibilität. Viele Startups sehen die scheinbar nahe liegende Lösung in der Beschäftigung von Freelancern oder freien Mitarbeitern. Ein Beispiel dafür ist folgende Frage eines Zürcher Jungunternehmens:

«Unklar für ist, wie man arbeitsrechtlich die Zusammenarbeit mit Freelancern am besten regelt. Was gilt es zu beachten bei Sozialabgaben, Minimumbeiträgen, Versicherungen und so weiter?»

Problem: Das schweizerische Recht kennt den Begriff des «Freelancers» oder «freien Mitarbeiters» nicht. Freie Mitarbeiter bewegen sich in einem mit rechtlichen Risiken behafteten Graubereich zwischen selbständiger und unselbständiger Arbeit. Startups können solche Risiken üblicherweise nicht tragen. Darum empfiehlt es sich, diesen Graubereich zu meiden. Das bedeutet: nur Arbeitnehmer mit Arbeitsvertrag beschäftigen oder mit eindeutig selbstständig Erwerbenden zusammenarbeiten – ein typisches Beispiel dafür ist die Beauftragung eines Treuhänders für den Jahresabschluss und die Steuererklärung.

Ein Startup ist so rechtlich auf der sicheren Seite und vermeidet, dass scheinbar freie und selbständig tätige Mitarbeiter später als scheinselbständige Arbeitnehmer qualifiziert werden – denn in solchen Fällen drohen hohe Kosten.

Tröstlicherweise profitieren Jungunternehmen davon, dass das schweizerische Arbeitsrecht im europäischen Vergleich grosse Flexibilität bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern erlaubt. Hier eine Übersicht der wichtigsten Bestimmungen.

1. Lohn
Arbeitnehmer haben Anspruch auf Lohn gemäss ihrem Arbeitsvertrag. In der Schweiz gibt es keine gesetzlichen Mindestlöhne und Löhne sind deshalb grundsätzlich Verhandlungssache, was beispielsweise das Beschäftigen von Praktikanten, Aushilfen im Stundenlohn oder Löhne mit Erfolgskomponenten ermöglicht. Eine Ausnahme bilden Branchen mit allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträgen (GAV), die Mindestlohnbestimmungen enthalten. Sondervergütungen wie beispielsweise Boni, Gratifikationen oder Provisionen sind grundsätzlich nicht geschuldet. Startups nutzen aber gerne die Möglichkeit, ihre Mitarbeiter mit Sondervergütungen teilweise in Abhängigkeit vom Unternehmenserfolg entlöhnen zu können. Neben ihrem Lohn haben Arbeitnehmer Anspruch auf Ersatz aller notwendigerweise entstehenden Spesen.

2. Arbeitszeiten
Die Arbeitszeit und das Arbeitspensum sind grundsätzlich ebenfalls Verhandlungssache, sofern die entsprechenden Bestimmungen im Arbeitsgesetz beachtet werden. Das Arbeitsgesetz sieht insbesondere Mindestpausen und Höchstarbeitszeiten vor. Die Höchstarbeitszeiten betragen je nach Berufsgruppe 45 Stunden – beispielsweise für Büropersonal –, oder 50 Stunden; für zahlreiche Berufsgruppen bestehen Ausnahmen. Neben traditionellen Teilzeitarbeitsverhältnissen sind auch flexible Arbeitsverhältnisse als so genannte Aushilfen mit Gelegenheitsarbeit von Fall zu Fall und während kurzer Zeit oder als ständige Arbeit auf Abruf nach Bedarf des Arbeitgebers möglich. Bei Arbeit mit Abrufverpflichtung muss ein Arbeitnehmer jedem Arbeitsangebot Folge leisten, wird für seinen Bereitschaftsdienst aber zu einem reduzierten Lohn entschädigt. Bei Arbeit ohne Abrufverpflichtung ist eine gemeinsame Planung bis spätestens zwei Wochen vor den geplanten Arbeitseinsätzen empfehlenswert.

3. Kündigungsfristen
Arbeitsverträge können mit befristeter oder unbefristeter Dauer abgeschlossen werden. Befristete Arbeitsverhältnisse enden grundsätzlich ohne Kündigung, unbefristete kennen je nach Dauer des Arbeitsverhältnisses unterschiedliche gesetzliche Kündigungsfristen: Sieben Tage beispielsweise im ersten Arbeitsmonat als Probezeit, ein Monat im ersten Dienstjahr und zwei Monate im zweiten bis und mit neunten Dienstjahr. Eine längere Probezeit oder kürzere Kündigungsfristen bis zu grundsätzlich einem Monat können vertraglich vereinbart werden.

4. Ferien
Arbeitnehmer geniessen einen Anspruch auf bezahlte Ferien von mindestens vier Wochen pro Jahr – bei unvollständigen Dienstjahren anteilsmässig –, sowie bezahlte Feiertage, sofern diese auf einen Arbeitstag fallen. Bei unregelmässiger Arbeitszeit im Stundenlohn können Ferien grundsätzlich durch einen Lohnzuschlag abgegolten werden.

5. Krankheit
Bei unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit haben Arbeitnehmer einen beschränkten Anspruch auf Lohnfortzahlung: Arbeitgeber müssen ihre Arbeitnehmer einerseits obligatorisch gegen Unfälle versichern; bei weniger als acht wöchentlichen Arbeitsstunden beim gleichen Arbeitgeber genügt der Versicherungsschutz gegen Berufsunfälle. Im Krankheitsfall andererseits erfolgt die Lohnfortzahlung abhängig von den Dienstjahren, wobei für die ersten drei Monate in einem neuen Arbeitsverhältnis keine gesetzliche Lohnfortzahlung geschuldet ist und danach mindestens die entsprechenden Basler, Berner und Zürcher Skalen zur Anwendung gelangen.

6. Sozialversicherungen
Verschiedene Sozialversicherungen sind für Arbeitnehmer und entsprechend auch die jeweiligen abrechnungs- und beitragspflichtigen Arbeitgeber obligatorisch: AHV/IV/EO- und ALV-Beiträge (mit einer möglichen Ausnahme für jährliche Einkommen bis 2’300 Franken, Stand: 1. Januar 2011), Ausrichten von Familienzulagen (ab einem Lohn von 580 Franken pro Monat oder 6’960 Franken pro Jahr, Stand: 1. Januar 2011), berufliche Vorsorge nach BVG (ab einem Mindestjahreslohn von 20’880 Franken, Stand: 1. Januar 2011).

Nachlesen lohnt sich
Zugegeben: Die zahlreichen Pflichten für Arbeitgeber wirken auf den ersten Blick etwas abschreckend, gerade bei den Sozialversicherungen. Die Versicherungen stellen aber online umfangreiche Informationen zur Verfügung – so beispielsweise die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich (SVA Zürich) –, und erleichtern das sozialversicherungsrechtlich korrekte Beschäftigen von Arbeitnehmern im Unternehmensalltag. Weitere hilfreiche Informationen zur Beschäftigung von Arbeitnehmern finden sich unter anderem auf dem «KMU Portal» des Bundes sowie in Ratgeber-Literatur wie beispielsweise dem «Beobachter»-Ratgeber «Flexibel arbeiten: Temporär, Teilzeit, Freelance».

Startups, die auf «Freelancer» oder freie Mitarbeiter im Graubereich zwischen selbständiger und unselbständiger Beschäftigung verzichten, geniessen erhöhte Rechtssicherheit und müssen nicht befürchten, zu einem späteren Zeitpunkt mit hohen Kostenfolgen aufgrund eines scheinselbständigen Mitarbeiters konfrontiert zu werden.

Die rechtlichen Grundlagen zum Arbeitsvertrag sind in der Schweiz im Obligationenrecht (OR) in den Artikeln 319 bis 362 geregelt. Hinzu kommen Bestimmungen in zahlreichen weiteren Erlassen wie insbesondere dem Arbeitsgesetz und seinen Verordnungen (beispielsweise bezüglich Arbeits- und Ruhezeiten) sowie den zahlreichen Sozialversicherungsgesetzen (beispielsweise bezüglich Altersvorsorge, Unfallversicherung und Arbeitslosenversicherung).

Handfeste rechtliche Tipps vom Profi zu einem Startup-Thema gibt es regelmässig in der Rubrik «Recht für Startups». Wer eine Frage als Themenvorschlag für unseren Gastautor unterbringen möchte, tut dies am besten via die Tippsbox.

Zum Autor: Martin Steiger studierte an der Universität St.Gallen (HSG) und ist langjähriger Anwalt für Recht im digitalen Raum. Die Schwerpunkte seiner Anwaltskanzlei in Zürich liegen im IT-, Immaterialgüter- und Medienrecht. In seiner Freizeit engagiert er sich unter anderem bei der Digitalen Gesellschaft und bei TEDxZurich.

Im Zweifelsfall, bei Unklarheiten und für Abklärungen im Einzelnen empfiehlt sich die Beratung durch eine Fachperson wie beispielsweise einen Rechtsanwalt.