Iman Nahvi und Christian Naef von Advertima stellen sich unserer «9 Fragen-Serie». Sie gehören bei der Swisscom Startup Challenge zu den glücklichen Gewinnern und fliegen Ende September ins Silicon Valley. 

Die Lösung von Advertima nutzt künstliche Intelligenz, um die Menschen in der unmittelbaren Umgebung zu analysieren. Das System erkennt Eigenschaften wie Alter, Geschlecht und Emotionen und wandelt diese in personalisierte, positive Erlebnisse um. Die aus der virtuellen Welt bekannte proaktive Interaktion mit den Kunden wird so nun auch in der realen Welt möglich. Das selbstlernende System von Advertima ist auf dem besten Weg, in der Zukunft besser auf sein Gegenüber eingehen zu können als der Mensch.

Christian und Iman, was ist die Idee hinter Advertima?
In der Online-Welt ist es Gang und Gäbe, dass Kunden über die gesamte Online Journey individuell begleitet werden (Stichwort Marketing Automation etc.). Die physische Welt ist jedoch zu komplex und nicht vorhersagbar, um in real-time Marketing Entscheidungen zu treffen – geschweige denn diese für die Menschen zu personalisieren. Wir haben eine Technologie entwickelt, die genau mit dieser Komplexität klar kommt und somit nicht nur personalisiert und voll-automatisch Erlebnisse für den Menschen generiert, sondern auch eine Methodik entwickelt, wie mit bekannter Online-Marketing-Software (Adobe, Oracle, etc.) in die physische Welt eingegriffen werden kann. Das ist ein Game-Changer und wird das Marketing des 21. Jahrhunderts revolutionieren.

Was beschäftigt euch derzeit?
Eine unserer Stärken ist es, dass wir schnell, flexibel und dynamisch auf Marktfeedback reagieren können. Wir haben sogar die Organisationsstruktur so aufgestellt, dass dies zu jedem Zeitpunkt gegeben ist (Stichwort «Holacracy»). Das wiederum bedingt, dass wir vor lauter Bäumen nicht den Wald aus den Augen verlieren. Und genau hier steckt gerade die Herausforderung: Wie können wir die neuesten Marktfeedbacks und Strategieziele für das bevorstehende Wachstum in Marketingdokumente packen, ohne die bisherigen Erkenntnisse und Outputs einfach über Bord zu werfen?

Gibt es etwas, das ihr seit der Gründung gelernt habt und rückblickend beim Start anders machen würdet?
Natürlich hätten wir vieles anders machen können. Aber damit beschäftigen wir uns nicht. Wir glauben, dass die Vergangenheit genau so hätte passieren müssen, damit man dort landet wo man heute ist. Wir haben bisher einen guten und erfolgreichen Weg hingelegt. Wären wir auch hier gelandet, wenn wir gewisse Entscheidungen (nennen wir hier bewusst nicht «Fehler») anders getroffen hätten? Also ganz ehrlich: es gibt keine Fehler, nur Learnings, die uns zu den Menschen machen, die wir heute sind. Also nein, wir würden jetzt wohl nichts anders machen. Und ausserdem: Wer würde garantieren, dass vermeintlich als besser geglaubte Entscheidungen nicht zu einer schlechteren Gegenwart geführt hätten?

Wer zählt zu euren Kunden?
Wir verfolgen eine gewisse Go2Market-Strategie, die uns bisher grosse Retailer und Banken als Kunden eingebracht hat. Teil dieses Beziehungsnetzwerks zwischen unseren Kunden und uns ist eine gegenseitige Innovationsstrategie, die eine gewisse, kurzfristige Verschwiegenheit verlangt. Es geht vor allem darum, dass unsere Kunden in der aktuellen Phase als First Mover einen Vorteil auf dem Markt erlangen.

Wer sind eure Konkurrenten?
Es gibt viele Unternehmen, die dieses Problem auf die eine oder andere Weise zu lösen versuchen. Technologien mit Beacons bspw. sind voll im Trend. Wir haben das Problem komplett anders definiert und sind somit zu einer komplett anderen Lösung gekommen. Hauptunterschied ist, dass wir Technologien verwenden, die sonst in diesem Bereich nicht eingesetzt wurden. Die Tatsache, dass wir Kunden gewinnen, die von anderen Technologien nicht zu überzeugen waren, ist eine äusserst starke Bestätigung für den von uns eingeschlagenen Weg.

Was ist euer Background?
Wir sind ein interdisziplinäres Team aus 40 Spezialisten und 22 Nationen. 25 unserer Mitarbeiter haben in die Firma mitinvestiert und sind Eigentümer echter Aktien. Also sollten wir uns bei solchen Fragen nicht auf eine oder zwei Personen konzentrieren, sondern eher aufzeigen, dass das Team als Ganzes unternehmerisch veranlagt ist. Wir haben Uniabschlüsse und Expertise aus den Bereichen Business, Marketing, Hardware, Computer Science (v.a. Machine Learning und Artificial Intelligence), Design, etc.

Was hat euch am meisten geholfen, damit ihr nun hier steht, wo ihr seid?
Schlussendlich ist es die Kombination aus all diesen Bereichen. Aber hervorheben sollte man vor allem das interdisziplinäre und unternehmerische Team und ein extrem starker Verwaltungsrat und das Advisory Board. Letztere helfen nicht nur mit Netzwerk, sondern bringen sich auch operativ ein.

Wo seht ihr die Schweizer Startup-Szene?
Auf der Überholspur. Die Schweiz ist bezüglich Startups spät aufgewacht, konnte aber durch die starke Wirtschaft und der hohen Innovationskraft (sowohl in der Wirtschaft wie auch an Unis) sehr schnell an Fahrt gewinnen. Wir sehen die Schweiz in den 2020ern an vorderster Front.

Wie sehen die nächsten Schritte bei euch aus?
Technologie und Produkt noch skalierbarer machen und dann global wachsen – und zwar schnell!

Extra: Tipp für Startups & Gründer/innen?
Von der Idee erzählen, Feedback einholen und nicht zu geizig mit den Anteilen sein, wenn es darum geht, die richtigen Leute reinzuholen. Bezüglich Feedback könnte man noch ergänzen, dass Expertenmeinungen zwar extrem wichtig sind, aber die Gründer selber entscheiden sollten, welche sie dann wirklich umsetzen wollen. Expertenwissen basiert auf Vergangenheit und bekanntlich kann man die Zukunft nicht aufgrund der Vergangenheit voraussehen…