Im Silicon Valley heisst es, grosse Brötchen zu backen – sagt VC George Zachary. Ein paar der Ratschläge, die er für Gründer in petto hat, gelten durchaus auch in Europa.

George Zachary, CRVAuf der Heimfahrt von einem „Mixer“-Anlass auf dem Microsoft-Campus in Mountain View habe ich mir in den letzten dreissig Minuten überlegt, was diese eigenartige Energiestimmung im Silicon Valley ausmacht, die an solchen Veranstaltungen regelmässig alle Beteiligten ergreift. Amerikanischer Enthusiasmus? Das Showtalent? Die Ungezwungenheit, in der alle freimütig über eigene Flops reden?

Der grösste Unterschied ist die vermeintliche Umkehrsicht von Chancen und Risiken. Wo sich in Europa überall Gründer versammeln, die händeringend Investoren suchen, scheint es hier mit der ausgeprägten VC-Kultur umgekehrt. An den Mixern geben Venture-Capitalists wie heute George Zachary von Charles River Ventures – der bei Yammer und Twitter an Bord ist – den Startups Ratschläge, wie sie die richtigen Investoren finden:

Als ob die Geldgeber Schlange stünden wie zu den Zeiten der dicksten Blase.

Ganz so ist es nicht, aber die VC und Businessangels im Silicon Valley befinden sich in einem spürbaren Wettbewerb. Nirgendwo in der Welt ist soviel Risikokapital auf einem Haufen zu finden wie im Silicon Valley, und die VC stehen unter dem permanenten Druck, das Geld zu platzieren – in der Hoffnung, das nächste Microsoft, Google oder Facebook anzuschieben.

In ihren eigenen Worten klingt die Aufzählung bekannter Namen dann so, als ob a) jeder Geld kriegt und b) jeder zweite eine grosse Nummer wird. „Völliger Quatsch“, sagt mir ein Unternehmer in einer der Netzwerk-Pausen, „die setzen hier 85 Prozent ihrer Investments in den Sand. Sie finanzieren viel mehr Gründungen als anderswo, aber nicht, weil die Chancen auf den Erfolg oder die Ideen und die Umsetzungen besser sind, sondern weil sie sich in diesem brodelnden Kessel im Gespräch halten müssen.“

Um ein paar Punkte aus George Zacharys Referat aufzugreifen: Das Verhältnis von Erfolg zu Misserfolg ist weit entfernt von einem Pareto-Prinzip. „Von 4000 Firmen sind es 8, die 80 Prozent des Wertes ausmachen.“

Und dann gibt er Ratschläge, wie Gründer Ihre Kapitalrunden ausgestalten sollen und wie sie den richtigen Investor finden.

1. Die Chemie muss stimmen, auf einer persönlichen Ebene. Er habe kürzlich ein paar „Kids“ einen Check ausgestellt, bevor sie ihm ihr Konzept fertig erklärt hätten – weil ihre Energie und ihre Vision ihn begeistert hätten und es Spass gemacht habe, mit ihnen zu fachsimpeln.

2. Der gesuchte Betrag muss auf ein Ziel ausgerichtet sein. „Ich höre immer wieder ‚wir brauchen eine Million, weil wir damit bis Ende Jahr durchkommen‘. Das sagt gar nichts. Niemand kauft 10 Liter Benzin, um 150 Kilometer weit zu fahren – man kauft Benzin, um zu einem bestimmten Punkt zu gelangen.“ Also: Ein Ziel definieren und genau so viel Geld beschaffen, um es zu erreichen.

3. Der Investor muss die Regel „Nase rein, Hände raus“ einhalten. Financiers könnten häufig mit Verbindungen helfen, mit Erfahrungen und Ratschlägen an den CEO – aber sie sollten sich aus der operativen Leitung der Firma raushalten. „Investoren machen keine Firma erfolgreich, es sind immer die Unternehmer, die sie erfolgreich machen.“

4. Es lohnt sich, knausrig zu sein, denn „am Hungertuch nagen ist die beste Fokusstrategie. Wer mit einem kleinen Gehalt in Deiner Firma nicht zufrieden ist, den interessiert die Vision nicht genug, und den brauchst Du nicht.“

5. Mit grossen Visionen anfangen. Nicht so sehr, weil es andere beeindruckt, als einfach darum, weil es mehr Möglichkeiten zum Ausweichen biete: Auf dem Weg zu einem grossen Ziel können immer wieder neue Wege beschritten und neue Visionen entwickelt werden. „Wenn Du dagegen ein einfaches, vermeintlich bescheidenes Ziel verfolgst und es sich als unrealistisch erweist, ist die Firma sofort tot.“

Dass im Anschluss an sein Referat bei den Pitches von zehn Startups das europäisch geprägte und teilweise in Zürich entstandene Topicmarks (eben auf netzwertig.com vorgestellt) die Gunst des Publikums und der fünf Experten errang, ist indes ein spannender Widerspruch: Die VC-Prominenz in der Jury – deren Beurteilungen der Neugründungen nebenbei gesagt in acht von zehn Fällen nicht weiter hätte auseinander liegen können – war sich nämlich einig, dass die Präsentation von Topicmarks konzis und einleuchtend, das angeführte Marktpotential aber viel zu gering sei. Und zwar nicht als realistische Einschätzung, sondern als Vision. „Wenn das, was Ihr vorhabt, funktioniert, wird das ein Riesending“, sagte James Cham von Trinity Ventures.

Und wenn nicht? Dann wird es, waren sich die Experten einig, doch immerhin ein Unternehmen mit einem zweitstelligen Millionenbetrag Jahresumsatz. Viel zu wenig, um das Investment eines Angels oder VC zu rechtfertigen. Jedenfalls im Silicon Valley.