Poken wandelt sein Geschäftsmodell zum zweiten Mal und geht nun aufs Ganze.

Was nicht viele wissen: Poken hatte ursprünglich eine viel grössere Idee als die spätere, digitale Visitenkarte vermuten lässt. Statt einem Fokus auf den Austausch von Kontaktdaten waren eine ganze Reihe von Anwendungen für NFC (near field communication) angedacht. Damit hätten sich Gegenstände mit dem Web vernetzen oder zum Beispiel – als Foursquare und ähnliche Dienste noch weit entfernt waren – Promotionen und Produktinfos in Geschäften und Lokalen an die Kunden bringen lassen. Als Alternative zu QR-Codes hätten mit einem entsprechenden Gimmick Kunden diese auslesen und später zuhause anschauen können.

Laut Gründer Stéphane Doutriaux war aber 2007 die Technik noch nicht soweit. Stattdessen verlegten sich die Gründer auf NFC-Kontaktaustausch – der Rest ist bekannt. Unter dem Namen Poken kennt man USB-Sticks, die Nutzer aneinanderhalten können um Profile von sozialen Netzwerken auszutauschen. 

Kurswechsel

Damit konnte das Startup nie Fuss fassen, nur in den Niederlanden legte Poken einen guten Marktstart hin. Hierzulande warte ich nach wie vor darauf, dass jemand bei der Vorstellung einen Poken zückt statt einer Visitenkarte. Neben der fehlenden Verbreitung gab es auch Konkurrenzlösungen, Apps wie Bump (Kontakttausch durch Aneinanderhalten von Handys) machten den Use Case von Poken auf einen Schlag wenig attraktiv.

Poken änderte darauf im Sommer 2010 seine Ausrichtung. Mit pokenEvents setzte das Unternehmen vermehrt auf B2B statt B2C. Die Idee: Direkt bei Eventveranstaltern andocken, die Teilnehmern Pokens aushändigen und so dafür sorgen, dass genügend Nutzer an einem Event zum vernetzen da sind. Showcases laufen ausserdem in der Kooperation mit Institutionen wie Museen oder Unis. So erhält jeder Student der Indiana State University ein Poken zum digitalen Abholen von Studieninfos.

Mit einem neuen Produkt geht Poken nun back to the roots und zurück zum umfassenden Ansatz: pokenTags sind mit einem Chip ausgestattete Aufkleber, die von den neuen Poken-Geräten erkannt werden. Damit lässt sich das umsetzen, was die ursprüngliche Idee der Gründer war: Orte und Gegenstände per NFC lesbar zu machen. Passend dazu wolle man nicht länger zuerst mit den Poken-Tierchen identifiziert werden, erzählt mir Stéphane. Ziel ist vielmehr eine gross angelegte CMS-Plattform, die digitale Inhalte via NFC mit der realen Welt verknüpft.

Bei Nokia an Bord

Warum kommt dieser Schritt jetzt? Neu ist, dass NFC sich gerade aufmacht, die Smartphone-Landschaft zu erobern. HTC Sensation oder Nexus S bringen die entsprechende Technik mit, vermutlich wird dereinst auch das iPhone 6 NFC-tauglich sein. Dem trägt poken Rechnung, indem sich die Produkte – Sticks und Tags – in Zukunft auch mit NFC-Smartphones verschalten lassen. Eine passende App für Smartphones hat Poken gerade vorgestellt. Funktionieren soll das auch auf Nokias C7 und N9-Geräten, von denen (zumindest laut Forbes) 100 Millionen in den nächsten 18 Monaten vom Band laufen sollen. Eine App für Android-Handys ist ebenfalls angekündigt.

Aber beerdigt Poken mit dem Schwenk auf Handys nicht seine bisherigen Produkte? Stephane verneint – mit der Begründung, dass diese ja immer noch in der Event- und Kooperationssparte verteilt würden. Es dauere auch noch eine Weile, bis jeder ein Smartphone habe.

Also NFC und die Poken-App als neue grosse Drehscheibe zwischen Web und Orten? Ich bin skeptisch, dass das Startup hierin einen einfachen Markt finden wird. NFC ist zwar im Kommen, allerdings werkeln zurzeit zahlreiche Akteure an entsprechenden Applikationen. Bestehende Player wie Foursquare oder gar Google haben bereits eine Nutzergemeinde, eine Infrastruktur und einen Vorsprung, wenn es um Kontakte mit kommerziellen Partnern geht. Wenn sie sich auf NFC stürzen, könnte Poken zwischen den Stühlen landen: früh am Start aber ohne Basis, um das Produkt zu monetarisieren.