Zoll, Gebühren, Währungskrise: Unser Gastautor gibt einen Einblick in die Alltagsschwierigkeiten exportorientierter Unternehmen.

von Sven Beichler, Gründer mySwissChocolate.ch

Startup-Tagebuch: Sven BeichlerHätten wir bei unseren ersten Ideen zu mySwissChocolate bereits um die Widrigkeiten des Schweizer Exportgeschäfts gewusst, wir hätten die Idee vielleicht gar nicht weiter verfolgt.

Zusammengenommen schaffen Schweizer Exportrestriktionen und die momentanen Währungsturbulenzen keine einfachen Bedingungen für exportorientierte Startups. Bei nahezu 40 Prozent Exportanteil (je nach Saison sogar gegen 50 Prozent) weht uns in dieser Zeit ein kalter Wind entgegen.

Das Zollthema 

Die Schweiz hat bekanntlich das „Privileg“, eine Zollgrenze zum Rest der Welt betreiben zu müssen/dürfen. Damit müssen alle Güter verzollt werden. Wir haben nun seit vielen Monaten zusammen mit Experten der Schweizer Post und u.a. mit DHL Schweiz intensiv an diesem Thema gearbeitet und uns immer wieder angepasst. Dabei mussten prozesstechnisch aber auch IT-technisch unterschiedliche Wege mit der Schweizer Post oder der DHL gegangen werden. Eine ganze Reihe von Problemen galt es zu lösen, die wichtigsten davon:

  • Zolldeklarationsnummern beantragen
  • Zollfreibeträge beachten
  • Sammelverzollungstematik

Zolldeklarationsnummern sollen grob gesagt, das Produkt eindeutig „deklarieren“. Bei mySwissChocolate User können sich ihre Wunschschokolade selber zusammenstellen, deshalb sind derzeit mehr als 450 Millionen mögliche Produkte denkbar. Gemäss Zoll müssten wir für jedes Produkt eine eigene Zollnummer haben. Da wir das erste exportierende Schweizer Unternehmen sind mit dieser Problematik, wusste sich zuerst niemand zu helfen. Schliesslich hat man sich auf drei Nummern pro Schokoladenfarbe geeinigt. Dies war bereits ein mehrmonatiger Diskussionsprozess.

Zollfreibeträge liegen für Schweizer Exportgüter bei lächerlichen 22 Euro. Alle Bestellungen über 22 Euro müssen verzollt /besteuert werden. Dies ist ein enormer Nachteil für uns und hat uns sehr kreativ werden lassen. Unter dem Strich lassen wir heute aber (fast) alle Exporte von DHL Schweiz über Deutschland liefern und zahlen dank der Sammelverzollung auf alle Pakete eine einmalige Gebühr pro Gesamtverzollung. Die Besteuerung ab 22 Euro rechnen wir in die Paketpreise mit ein. Dies ist aber nur – gegenüber dem Kunden – als Mischkalkulation möglich, da wir nach Deutschland beispielsweise eine sehr günstige Flatrate von 4.70 Euro anbieten wollen.

Sammelverzollungen haben es exportierenden Firmen bisher ermöglicht, alle Pakete quasi einmal zu verzollen. Diese Verzollungsart soll nun ab dem 1. Januar 2012 für Paketwerte über 22 Euro abgeschafft werden. Dies würde bedeuten, dass alle Pakete einzeln verzollt werden müssten. Wie man sich denken kann, führt dies zu undenkbar hohen Mehrkosten pro Paket, in unserem Fall von drei bis acht Euro. Auch hier scheinen wir wieder in einen Sonderposition mit unserer Geschäftsidee zu liegen:

Unser Gut ist ein high-price-product in einem low-price-market. Schokolade kostet typischerweise zwischen CHF 2 und CHF 6.50 im Detailhandel. Unsere handgemachten und individuellen Schweizer Schokoladentafeln werden im Schnitt ab sechs Franken gekauft und können bis 15 Franken oder mehr kosten, wenn man beispielsweise mehrere Zutaten, einen eigenen Geschmack, 23K Echtgold als Zutat, ein eigenes Bild und eine individueller Verpackung wählt. Dies hat zur Folge, dass die meisten unserer Pakete über einem Einkaufswert von 22 Euro liegen und damit nicht mehr zusammen verzollt werden können.
Typischerweise hat ein Produkt über 22 Euro einen wesentlich höheren Wert (Schmuck, iPad etc. = High-Price-Product). Da fallen die Mehrkosten nicht mehr dramatisch ins Gewicht. Oder das Produkt liegt unter den 22 Euro (Werbeartikel, Visitenkarten = Low-Price-Market) und fällt damit nicht unter die neue Bestimmung.

Noch versuchen die Schweizer Delegationen in Berlin, eine weitere Übergangsfrist zu erwirken. Die Zeichen stehen aber schlecht. Als kleine Exportfirma wurden wir nicht vom Bund in Kenntnis gesetzt, sondern haben dies vor zwei Monaten von unseren Logistikpartner erfahren. Auch sie selbst wurden von der Meldung zur Abschaffung der Sammelverzollung überrascht.

In der Rubrik Startup-Diary schildern Jungunternehmer wöchentlich, mit welchen praktischen Problemen sie in ihrem Gründeralltag konfrontiert werden und welche Lösungsansätze sie gefunden haben.
Wie dem auch sei, wir müssen wieder einmal kreativ werden. Eine reine Konzentration nur auf die Schweiz kommt nicht in Frage, hatten wir im Mai diesen Jahres ja erst nach Italien expandiert. Die Kosten zu tragen ist mittel- bis langfristig selbstverständlich auch keine Option und die Preise derart zu erhöhen erst recht nicht. Neben anderen mehr oder weniger tauglichen Modellen steht auch die Option einer Tochtergesellschaft mit einer weiteren Produktion in Deutschland zur Diskussion. Dies braucht neben Investitionen aber vor allem auch Zeit – und die bleibt bekanntlich nicht stehen. Also dann mal los.

Das Weltwirtschaftsthema

Anders als beim Zollthema ist jedem die wirtschaftliche Situation bewusst. Die momentane fast-Parität von Franken und Euro erfordert immer neue Ideen zur Stabilisierung unserer Exporte. Kostete unsere Schokolade noch vor der jetzigen Krise 2.50 Euro, so würde sie heute fast 3.40 Euro kosten (wenn wir denn die Preise der Grundschokolade anheben würden). Die Exporte gehen zurück, aber noch nicht im befürchteten Ausmass. Die Qualität und Einzigartigkeit unserer Produktes und Dienstleistung schützt uns wohl vor Schlimmerem.
Wie reagieren wir? Auch hier nicht als erstes mit Preisanpassungen – obwohl die Kosten für uns die Selben geblieben sind, da wir gegen 100 Prozent in der Schweiz einkaufen. Stattdessen reagieren wir mit Social-Media-Kampagnen, Videoideen und generell durch Schaffung neuer Anreize. Bisher sind uns unsere Kunden treu geblieben. Wenn nicht die Währungen, so scheinen wenigsten unsere Fans krisensicher zu sein.