Zwei Basler Jungunternehmer haben ihre Nische zwischen Kreativwirtschaft und Ingenieurwesen gefunden.
Heute werden Startups Schritt für Schritt gebaut und getestet: Statt nur am Reissbrett zu entwickeln (und in der grauen Theorie zu bleiben) suchen Gründer rasch Kundenfeedback und klären Nachfrage und Kundenbedürfnisse laufend ab. Dazu gehen Startups früh an den Markt und setzen zunehmend auf offene Entwicklungsprozesse.
Im Rapid Prototyping findet diese Idee ihr physisches Pendant – bei der Konstruktion eines Werkstücks oder Modells wird bei jedem Schritt mit Prototypen getestet. Der Ansatz: Den linearen Gestaltungsweg aufbrechen und Designfehler rechtzeitig erkennen.
Claudio Kuenzlers Diplomarbeit für Hyperwerk, wo er auch seinen späteren Mitgründer Daniel Koelliker kennen lernte, hatte dieses Konzept zum Thema und wurde gleich zum Businessplan. Ein halbes Jahr nach dem Abschluss entwickelten die beiden ihre Idee weiter und gründeten im Mai 2010 die Digitalwerkstatt. Beide sind Quereinsteiger – Claudio als Informatiker, Daniel als Elektromonteur.
Manufacturing as a Service
Kern war die Idee, Geräte wie Laserschneidemaschinen und 3D-Drucker in der Privatwirtschaft einzusetzen und ihre Fertigungsmöglichkeiten als Dienstleistung anzubieten. Im Diplomjahr machte Claudio eine Menge solche Auftragsarbeiten an der ETH, vor allem für Architekten. Ihm wurde klar, dass diese Dienste auch für Kunden ausserhalb der Hochschule interessant sein würden. Hinzu kam, dass es hier noch keine kommerziellen Anbieter gab.
Eine Reihe von Spezialisten bieten nach wie vor einzelne Fertigungstechniken an. Die Digitalwerkstatt versucht, gleich alles aus einer Hand anzubieten, unabhängig vom gewünschten Material: Holz, Plastik, Gummi, Acryl, Papier, Karton, Leder, Aluminium, Pressspanplatten und so weiter. Fehlt die Maschine, um etwas bestimmtes zu fertigen, wird mit Partnern zusammengearbeitet. Hergestellt wird, was der Kunde will – das kann ein Zahnrad, ein Firmenlogo oder ein Hausmodell sein.
Entsprechend breit ist der Zielmarkt – somit wollten auch die Kunden erst einmal gefunden und angesprochen werden. Auch wenn Claudio aus seiner Arbeit an der ETH Kunden mitbrachte – am Anfang der Digitalwerkstatt stand Kaltakquise, und zwar eine Menge davon. Claudio und Daniel erstellten eine lange Kontaktliste potentieller Kunden. Innerhalb eines Jahres telefonierten sie diese nebenbei ab, 20 Anrufe pro Tag.
Kreativwirtschaft im Fokus
Als jetzige Marketingmassnahmen ist man unter anderem an Unis präsent und bietet Studenten – den späteren Kunden – Rabatte an. Ausserdem sponsern Claudio und Daniel spezielle Eventdekorationen, um auf diesem Weg Sichtbarkeit zu haben. Die Kundschaft der Digitalwerkstatt ist breit gefächert, einen typischen Kunden gibt es nicht. Die Kreativwirtschaft macht aber den Schwerpunkt aus, mit Berufen wie Industriedesigner, Architekten, Messebauer, Künstler und Kunden aus der Kommunikation.
Da erst einmal die Ausrüstung beschafft werden musste – eine Reihe teurer High-Tech-Maschinen – war die Gründung nicht ohne Risiko. Bereits ein Laserschneidegerät kostet soviel wie ein Kleinwagen. Claudio und Daniel mussten ein Privatdarlehen aufnehmen, um die Investitionskosten berappen zu können. Inzwischen können sie sagen, dass sie das Wagnis gelohnt hat. Die Gründer haben mittlerweile ausgebaut und einen Grafiker ins Team geholt. Als zusätzliches Standbein im Geschäftsmodell kann die Digitalwerkstatt Kunden damit nicht nur in der Fertigung, sondern auch im Design beraten.