Im aktuellen Rechtstipp erklärt unser Gastautor, was Startups bei Werbeaktionen beachten müssen, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen.

Gastbeitrag von Martin Steiger, Rechtsanwalt


Mittels Werbung wecken Unternehmen Aufmerksamkeit für ihre Produkte und Dienstleistungen.

Für frisch in den Markt einsteigende Startups ist Werbung überlebenswichtig, denn nur so wird ihr Zielpublikum überhaupt auf ihre Angebote aufmerksam. Aber was ist ist erlaubt und was nicht? Darauf zielt unsere aktuelle Frage:

Was ist bei Werbung aus rechtlicher Sicht zu beachten?

Werberecht in der Schweiz


Die Schweiz kennt zahlreiche gesetzliche und private Schranken für Werbung oder – allgemeiner formuliert – kommerzielle Kommunikation. Solche Schranken finden sich insbesondere im Bundesgesetz gegen den unlautereren Wettbewerb (Lauterkeitsgesetz, UWG) und in den Grundsätzen zur Lauterkeit in der kommerziellen Kommunikation der Schweizerischen Lauterkeitskommission (SLK).

Das UWG stellt allgemeine rechtliche Grundsätze für Werbung auf: Einerseits die Gebote von Wahrheit, Klarheit und Richtigkeit, andererseits die Verbote von Irreführung und Täuschung. Es definiert ausserdem bestimmte Arten von Werbung als unlauter, beispielsweise diskriminierende und herabsetzende Werbung, es schützt vor Verwechslungsgefahr und verbietet Lockvogelwerbung. Werbung muss rechtmässig sein.

Die Grundsätze der SLK sind privater Natur und konkretisieren das UWG. Die Schweizer Werbewirtschaft unterwirft sich freiwillig dieser Selbstkontrolle und die Rechtsprechung orientiert sich an diesen Grundsätzen. Bei Verstössen besteht für betroffene Konsumenten und Unternehmen eine Beschwerdemöglichkeit. Im letzten Jahr gingen über 400 Beschwerden bei der SLK ein.

Nachfolgend zwei Beispiele für die Schranken bei zwei gängigen Arten von Startup-Werbung:

Beispiel: Vergleichende Werbung

Startups stehen typischerweise in Konkurrenz zu anderen Unternehmen. Sie setzen deshalb häufig auf vergleichende Werbung um darzustellen, dass ihre eigenen Angebote jenen der Konkurrenz überlegen sind.

Das ist in der Schweiz grundsätzlich erlaubt. Vergleichende Werbung muss sich aber auf gleichartige Dienstleistungen und Waren beziehen. Sie darf nur vergleichbare Angebote gleicher Qualität und Quantität aufführen. Ausserdem gelten die allgemeinen Grundsätze für Werbung, dass heisst ein Vergleich darf nicht unrichtig, irreführend oder unnötig verletzend ausfallen.

Vorsicht ist beispielsweise geboten, wenn man behauptet, man sei der einzige Anbieter in der Schweiz oder gar weltweit. Eine solche Aussage müsste durch das werbende Startup bewiesen werden, was sich in der Praxis meistens als schwierig erweist. Problematisch sind Aussagen, bei denen ein Durchschnittsadressat aufgrund der beworbenen Angaben gar keinen Vergleich vornehmen kann. Startups, die beispielsweise als Dienstleister Beratungen anbieten, müssen in vergleichender Werbung Preise und Leistungen präzis und für einen Durchschnittsadressaten verständlich darstellen.

Beispiel: Werbung mit Flyern

Startups mit lokaler Ausrichtung nutzen häufig Flyer, um direkt vor Ort zu werben. Inhaltlich gelten für Flyer keine speziellen Regelungen, doch dürfen Flyer an den meisten Orten nicht frei verteilt werden. In der Stadt Zürich beipielsweise besteht für das «Verteilen von Werbematerial auf öffentlichem Grund» ein umfassendes Regelwerk (PDF) mit unter anderem folgenden Bestimmungen:

  • Das Verteilen von Werbematerial auf öffentlichem Grund ist bewilligungspflichtig, da dafür der öffentliche Grund temporär belegt wird (im Jargon: «gesteigerter Gemeingebrauch»).
  • Bewilligungsfähig sind Gesuche von Unternehmen sowie Veranstaltern in der Stadt Zürich.
  • Gesuche um Bewilligungen (PDF) müssen rechtzeitig vor dem ersten gewünschten Verteiltermin per Brief an die Stadtpolizei gerichtet werden.
  • Ein Gesuch muss Muster der zur Verteilung vorgesehenen Flyer – und allenfalls auch Giveaways – enthalten. Originalprodukte, Kataloge und zahlreiche andere Gegenstände sowie Flyer mit beispielsweise sexistischen Inhalten dürfen nicht verteilt werden.
  • Möglich sind maximal sechs Verteilaktionen pro Kalenderjahr, davon höchstens drei im Stadtkreis 1, höchstens drei in den übrigen Stadtkreisen und höchstens zwei vor dem eigenen Geschäftssitz. Die Verteilaktionen dürfen nur an dafür vorgesehenen Standorten und zu definierten Zeiten stattfinden.
  • Die Stadt Zürich erhebt Gebühren für das Verteilen von Flyern, unter anderem eine Bewilligungsgebühr von 80 Franken, eine Schreibgebühr von 30 Franken sowie eine Benützungsgebühr von 55 Franken pro Person und Tag.

Die meisten Gemeinden in der Schweiz kennen vergleichbare Regelwerke. Wer Flyer ohne Bewilligung verteilt, kann gebüsst werden. Die Höhe der Busse beträgt mindestens einige 100 Franken.

In der Praxis sind in der Stadt Zürich auch kurzfristige Bewilligungen erhältlich, sofern die verfügbaren Standorte nicht bereits belegt sind. Auskunft dazu erteilt das Kommissariat «Polizeibewilligungen» der Stadtpolizei.

Empfehlung: Aufpassen bei Guerilla-Werbung

Werbung in der Schweiz ist durch zahlreiche rechtliche und private Schranken reguliert. Für Startups ist es deshalb empfehlenswert, sich mit den wichtigsten Regeln für die verschiedenen Arten von Werbung vertraut zu machen. Die oben erwähnten Grundsätze der SLK sind dafür ein nützliches Hilfsmittel, da sie die abstrakten gesetzlichen Bestimmungen konkretisieren.

Angesichts kleiner Budgets ziehen Startups vielfach so genannte Guerilla-Werbung in Erwägung. Diese Aktionen sind typischerweise unkonventionell, überraschend, mutig und frech daherkommt. Im Idealfall sorgt Guerilla-Werbung durch innovative und kreative Methoden für eine grosse Werbewirkung zu tiefen Kosten. Häufig besteht Guerilla-Werbung allerdings schlicht aus langweiligem, aber masslosem Verteilen von Flyern, was mit dem Werberecht kollidieren kann.

Bei möglichen Verstössen gegen das Werberecht wägen Startups bisweilen ab: Sie wissen, dass das Verteilen von Flyern ohne Bewilligung gebüsst werden kann, vergleichen die geschätzte Höhe einer solchen Busse aber mit der kostenpflichtigen Bewilligung sowie der Möglichkeit, am gewünschten Standort überhaupt werben zu können. Sie wissen ausserdem, dass sich aus einer Verteilaktion ohne Bewilligung durchaus eine erwünschte Medienpräsenz ergeben kann, wie ein Beispiel aus der Stadt Zürich zeigt. Aber Achtung: die Stadtpolizei Zürich drückt angesichts vieler wild verteilter Flyer weniger häufig als früher ein Auge zu und büsst konsequent. Darum ist diese Risikoabwägung rein aus rechtlicher Sicht nicht empfehlenswert.

In keinem Fall sollten Startups leichtfertig riskieren, wegen Werbung in Rechtsstreitigkeiten mit etablierten Konkurrenten verwickelt zu werden. Solche Rechtsstreitigkeiten können sich die meisten Startups gar nicht leisten und sie kosten Zeit, die Startups sinnvoller für die Entwicklung ihrer Dienstleistungen und Waren einsetzen können. Im Zweifelsfall sollte in solchen Situationen der Rat einer Fachperson gesucht werden. Letzteres gilt im Übrigen auch für Produkte, die speziellen Werberegeln unterlegen. Beispiele dafür sind Lebensmittel und Medikamente.

Handfeste rechtliche Tipps vom Profi zu einem Startup-Thema gibt es regelmässig in der Rubrik «Recht für Startups». Wer eine Frage als Themenvorschlag für unseren Gastautor unterbringen möchte, tut dies am besten via die Tippsbox.

Zum Autor: Martin Steiger studierte an der Universität St.Gallen (HSG) und ist langjähriger Anwalt für Recht im digitalen Raum. Die Schwerpunkte seiner Anwaltskanzlei in Zürich liegen im IT-, Immaterialgüter- und Medienrecht. In seiner Freizeit engagiert er sich unter anderem bei der Digitalen Gesellschaft und bei TEDxZurich.

Im Zweifelsfall, bei Unklarheiten und für Abklärungen im Einzelnen empfiehlt sich die Beratung durch eine Fachperson wie beispielsweise einen Rechtsanwalt.