Pivoting nennt sich im Startup-Vokabular eine Kurskorrektur des eigenen Geschäftsmodells. Was damit gemeint ist und worauf es zu achten gilt.

Jungunternehmen haben die Lizenz, sich jederzeit neu zu erfinden. Das gehört zum Finden von Geschäftsideen wie das Lenkrad zum Auto. Es macht Startups agil und dynamisch.

Für dieses Konzept hat der Startup-Jargon inzwischen einen Anglizismus parat: das pivoting. In der Entwicklung von Jungunternehmen setzt sich zunehmend die kontinuierliche Evolution durch, die Iteration: planen, testen und anpassen. Erfolg entsteht durch markt- und kundennahes Entwickeln. Das ist auch der Kern populärer Methoden wie Lean Startup oder Customer Development.

Ab und an gerät das griffige Wort zwar zur Tarnung – und die Richtungsänderung ist nichts anderes als ein verkappter Neustart. Daran ist aber nichts Schlimmes. Lieber rechtzeitig einen anderen Ansatz finden als gegen die Wand fahren.

Kurskorrektur statt Neuanfang

Mit pivoting im eigentlichen Sinn ist jedoch nicht gemeint, einen komplett neuen Pfad zu verfolgen. Hinter Paypal, Twitter oder flickr stehen zwar aufregende Geschichten über radikale Kursänderungen, gute Beispiele für pivots sind sie nicht.

Ein pivot ist eine substanzielle Änderung im Geschäftsmodell. Das heisst nicht, dass sich die dahinterliegende Vision ändert. Vielmehr lernen Gründer aus Kundenfeedback oder Tests etwas Neues oder die Konkurrenzsituation ändert sich auf eine Weise, die die Umsetzung der bestehenden Vision beeinflusst.

Pivoting ist also: Eine begründete und für die Startup-Entwicklung typische Anpassung an veränderte Umstände oder Erkenntnisse. Damit ein solcher Schwenk Sinn macht, sollte er auf Zahlen basieren, mindestens auf qualitativer Marktforschung. Bei einem pivot müssen sich die Gründer sicher sein, damit einen besseren Weg zu verfolgen als zuvor.

Gefahrenquelle Aktionismus

Denn die gängige Vokabel kann auch zur Ausrede werden: Stanford-Professor und Gründungsspezialist Steve Blank schildert in einem Artikel seine Beobachtungen eines Startups, das sich in stetigen Richtungswechseln verzettelte. Der CEO habe laufend neue Ideen ins Spiel gebracht, bestehende Pläne umgeschmissen und das Produkt nach beinahe jedem Kundenfeedback auf den Kopf gestellt.
Hier ist Vorsicht geboten: Wenn Kundenfeedback nur scheinbare Erkenntnisse liefert oder die Neuausrichtung nur ein Vorwand ist, um eine mühsame Strecke auszulassen, sollten die Alarmglocken läuten. Er schlägt darum zwei Vorsichtsmassnahmen vor. Man solle auch im hektischen Startup-Alltag neue Ideen ein paar Tage ruhen zu lassen, bevor man sie angeht. Und:

In searching for product/market fit the product should be the last part you think of changing.

Vor allem solle man im Kopf behalten, dass ein Pivot erst als letztes ein neues Produkt legitimiert. Ein einmal erarbeitetes Produkt inklusive Wertversprechen (value proposition) dürfe erst dann angepasst werden, wenn die anderen Korrekturmöglichkeiten ausgeschöpft seien.

Namentlich:

  • Zielmarkt
  • Organisation
  • Preismodell
  • Vertriebskanäle
  • etc.

Auf diese Weise zeigt sich, was sinnvolle Änderung und was blosser Aktionismus ist.