Beim ersten Startup Weekend in Luzern waren zahlreiche Experten der Startup-Szene und 52 Teilnehmer mit unterschiedlichem Background dabei. Wir waren vor Ort.

Noch nie etwas von einem Startup Weekend gehört? Kein Problem: Startup Weekends sind mehrtägige Events, welche weltweit unabhängig voneinander durchgeführt werden. Dabei ist das Konzept stets das gleiche: Personen jeder Altersgruppe und Bildungsgrades können ihre eigenen Ideen einbringen und das dazugehörige Geschäftsmodell in Gruppen erarbeiten – im Lauf eines Weekends. Ein wichtiger Fokus liegt auf den Pitches, mit denen die Jury vom Projekt überzeugt werden muss. Sie kürt am Schluss die Gewinnerprojekte.

Die Jurymitglieder hatten nach den Abschlusspräsentationen 15 Minuten Bedenkzeit und sie waren sich nicht in allen Punkten einig. Überraschend war sicherlich, dass fast alle Ideen (ausser das Migrationsprojekt) Webplattformen sind. Gewinner des 1. Preises ist TopDocs, eine Matchingplattform für Patienten und Spezialärzte.

 

Wir waren von A bis Z am Event dabei:

Freitag Abend: Design Thinking und Teamfindung

Bei der Ankunft im Technopark Luzern erhielt jeder Teilnehmende einen Badge mit seinem Namen und der Einstufung Designer, Techie oder Non-Techie. Das sollte bei der späteren Teamfindung helfen. Beim gemeinsamen Abendessen kam man schnell in Kontakt und es wurde klar: Hier treffen Personen mit unterschiedlichem Background aufeinander.

Zum Start gabs eine Einführung ins Design Thinking von einem der Mitentwickler höchstpersönlich: Larry Leifer von der Universität Stanford. Design Thinking ist ein anwendungsorientierter Ideenfindungsprozess zur Problemlösung. Die Ideenfindung funktioniert mittels einer Feedbackkultur, die einen unkonventionellen Blick als Ausgangspunkt für frische Einfälle begünstigen soll. Eine Kernaussage des Design Thinking ist dabei, dass interdisziplinäre Teams komplexe Probleme besser lösen können als nicht-interdisziplinäre – eine gute Ausgangslage also für das Weekend.

Nach dem Vortrag ging es an die Präsentation der Ideen – nur eine Minute stand den Teilnehmern zur Verfügung, um das Publikum vom eigenen Projekt zu begeistern. Die populärsten Ideen wurden dann per Abstimmung ausgewählt und anschliessend Teams gebildet.

Samstag: Business Model Canvas

Der Samstag wurde dafür genutzt, Ideen auszuarbeiten und die wichtigsten Fragen zu klären: Was ist die Zahlungsbereitschaft unserer Kunden? Welche Einnahmequellen existieren? Wie kommen wir an die unterschiedlichen Kundensegmente ran? Wie sieht die Kostenstruktur aus? Nach einem gemeinsamen Frühstück stellte Coach Barbara Becker das Modell Business Model Canvas vor. Die Idee: die einzelnen Bereiche eines Geschäftsmodells visuell darstellen (am besten gross auf einem Flipboard) und die Schlüsselfragen diskutieren.

Sonntag: Pitches & Finale

Das Startup Weekend bot nicht nur die Möglichkeit, sich mit der Ideengenerierung und möglichen Geschäftsmodellen auseinanderzusetzen, sondern auch zum gegenseitigen Kennenlernen. Visitenkarten wurden rege ausgetauscht, neue Geschäftspartner/Interessenten gefunden und beim gemeinsamen Essen kam man ins Gespräch.

Jan Fülscher von den Business Angels Schweiz gab am finalen Tag Tipps zum Pitchen. Ein Pitch soll das Gegenüber von der eigenen Idee überzeugen und dauert zwischen zehn Sekunden (elevator pitch) und zehn Minuten (investor presentation). Beim Startup Weekend Luzern war der Pitch auf eine Zeit von vier Minuten gesetzt. Idealerweise sollte ein Pitch folgende Punkte behandeln:

  • Das Problem und das eigene Produkt als Lösung
  • Markt (geographisch sowie Marktvolumen und -potential)
  • Mitbewerber (direkt und indirekt)
  • Das Geschäftsmodell, wobei eine grafische Darstellung empfehlenswert ist
  • Die Roadmap: was wurde bereits erreicht und was sind die nächsten Meilensteine?
  • Die Teammitglieder mit ihren Funktionen und Backgrounds
  • Ein finanzieller Überblick mit gängigen Kennzahlen wie Umsatz und Free Cash Flows
  • Die Investitionsbedürfnisse (bspw. 100‘000 CHF gegen 30% Beteiligung), bevorzugt mit geplantem Exit für den Investor.

Als finaler Tipp: «Der Schlüssel liegt in der Effizienz». Ein Pitch muss übersichtlich sein und sich nicht in unnötigen Details verlieren, die nur neue Fragen aufwerfen.

Die Projekte

Dies hier sind die Projekte des Startup Weekend Luzern 2012 mit jeweiligem Arbeitstitel (zufällige Reihenfolge):

FactorMatch.ch: Unter diesem Namen soll ein unabhängiges Offertenportal für Factoring entstehen. Man kann es sich als eine Art eBay für Factoringdienstleister ansehen: Offene Forderungen von Unternehmen können auf FactorMatch.ch ver- und gekauft werden. Die Personen hinter dem Projekt haben am Wochenende bereits eine Landingpage realisiert.

Zhitch: Zhitch ist eine kostenlose Applikation für Smartphones und hilft Fahrgemeinschaften dabei, die Kosten fürs Benzin gerecht aufzuteilen. Die Strecke wird per GPS aufgezeichnet, ein Bezahlungssystem ist direkt integriert. Beat Buehwiler, der Gründer von zhitch, arbeitet seit einigen Monaten am Projekt und seit Montag ist eine Betaversion (gegen Einladung) im App Store zu finden. In einigen Wochen soll die zhitch-Beta auch für Android verfügbar sein.

TopDocs: TopDocs ist eine Matchingplattform für Patienten und Spezialärzte. Der Wettbewerbsvorteil von TopDocs gegenüber normalen Ärztenverzeichnissen soll eine individuelle Beratung seitens der Betreiber sein. Zudem werden die Ärzte nach einem eigenen Qualitätsprozess, der auch statistische Daten integriert, ausgesucht.

Ethik Checkup: Die Anzahl der Labels, beispielsweise für Nachhaltigkeit, ist in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen. Ethik Checkup möchte hier Übersicht schaffen, indem es Unternehmen nach relevanten ethischen Kriterien bewertet.

prêt-art-uniQ: Die Gründer wollen Studierenden in kreativen Studienrichtungen helfen, ihre eigenen Designobjekte zu monetarisieren. Prêt-art-uniQ ist ein Onlineshop mit dem Motto «Design made by students». Dabei verbindet das Projekt drei Gruppen: Universitäten/Fachhochschulen, Studierende und Käufer.

Migraçâo na Suiça: Eine der grössten Einwanderergruppen der Schweiz kommt aus Portugal. Romina Moor, die seit Jahren eingewanderte Portugiesen im Alltag und bei der Integration hilft, hat dieses Projekt gepitcht. Es will Portugiesen beim Aufsetzen von Verträgen und weiteren Formalitäten Hand bieten. Gestartet werden soll Migraçâo na Suiça (zu deutsch: Migration in die Schweiz) in Luzern und in einer späteren Phase in Zürich. Das Projekt landete auf dem 3. Platz.

MobileUp: MobileUp soll eine mobile Buchungsplattform für Ausflüge und Aktivitäten im Urlaub werden. Dafür zielen die Gründer auf Partnerschaften mit Reiseveranstaltern. So sollen Reisebegleiter vor Ort dank Tablets Ferienaktivitäten effizienter gestalten können.

ShareCrazyStuff: Die wohl verrückteste Idee des Startup Weekends Luzern 2012 – und auch so vorgetragen – ist ein Social Game, welches auf Facebook laufen soll. Bei ShareCrazyStuff können Mitglieder Dinge aller Art gegenseitig ausleihen.

Disclaimer: Eines der Teams hat uns wegen laufender Investorengespräche darum gebeten, es nicht zu erwähnen. Es kam auf den zweiten Rang. Die Jury bestand aus: Hansruedi Lingg, Jan Fülscher, Simon Kaiser, und Antonius Liedhegener.

Am Anlass zeigte sich einmal mehr, wo die Stärken solcher Gründerevents liegen. Neben den unmittelbaren Learnings (besonders fürs Nicht-Wirtschaftler interessant) und einer Gelegenheit für ausgiebiges Networking hat man hier die Chance, direktes Feedback von Branchenspezialisten abzuholen. Das Startup Weekend in Luzern war für mich das erste und ich kann es nur wärmstens weiterempfehlen.

Zum ebenfalls an diesem Wochenende über die Bühne gegangenen Startup Weekend Jura hat Sébastien Flury hier gebloggt. Das nächste Schweizer Startup Weekend findet vom 26. bis 28. Oktober 2012 in St. Gallen statt.